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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 1 (Oktoberheft 1925)
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Bartsch, Rudolf Hans: Das Glück des deutschen Menschen
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Bernhart, Josef J.: Mittelalter und Gegenwart, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0059

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Jude.soll ähnlich hoch stehen wle der deuksche. Und dieseS Bolkes Dichter, von Heine
an, ,dle besten snchen doch in unstillbarem Durste den Wald und das Meer.

Nun? Dleses Naturgesühl wird vou den klügsten aller Menschen langsam als aller-
bestes empfunden und heut, beinahe schülersromm, erstrebt und gelernt! Du abcr,
Deutscher von heute, lernst vom Juden von gestern?

Jn meiner Jugend arbeitete jeder gute Volksschullehrer an diesem Besten der deut-
schen Seele. Jch höre davon, daß dies anders geworden sein soll. Jst es das, so
verdient dies Volk seinen seelischen Tod. Wer aber von diesem stärksten und besten
deutschen Ding die Erbschast antritt, der ist gerettet sür sein und seiner Kinder Leben.
Wer das arischeGeheimnis hat, daß er sich Eins, innig und brüder-
lich Eins sühlt mit Wolke, Baum und See, mit Ferne und Heideschwermut, Tier-
mutterangst und Raubzeuggehcimnis, dem kann nichts Schlimmes mehr widersahren
im Leben. Dem wird alles andere wesenlos und gering, außer jener Natur, in dev
er lebt und mit der er niemals mehr sterben kann.

Die berüchtigte jüdische Todcsangst sogar ist weg.

Er hat unmittelbar Unsterblichkeit in sich. DieseS herrlichste LebenSgesühl, „in alledem
bleibst du ja", ist sein für immer.

Mit Erschauern gedcnke ich der Heldensage von jenen deutscheu Ossizieren, die sich,
im Rückzug aus Frankreich auf der Rheinbrücke stehen bleibend, gegen den Westen
und den Feind wcndeten, um sich eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Wenn sie eS
taten, weil sie das undeutsche Magazinsgewimmel von Geldneidern und Geldverdie-
nern ahnten, das nun emporkommen sollte, während sie die Waldstille und Sehn-
lichkeit der deutschen Seele schützten, dann verdienen sie, in altjapanischem Sinne,
ihren Geistertempel. Damit uns nicht verloren gehe, was da anbetenswert und ewig-
belebend bleibt.

Von Hermann LönS weiß ich, daß er um solche Dinge fiel.

Von den allerbesten der deutschen Dichter weiß ich, von Hesse und Rilke und Haupl-
mann, daß sic um solche Dinge leiden und leben.

Laß deine Stadtpoeten, Deutscher. Geh ein in den Garten und deine Seele ist gesund.

Nudols HanS Bartsch

MiLLelalLer und GegenwarL

Von Joses Bernhart

(^^>n der allgemeinen Gräberössnung, die der Vorzeit heute widerfährt, steigt auch
^die Welt deS MittelalterS an die Luft der Gegenwart. Jeder Deutsche, der sich
-^-^nvch nm Bücher kümmcrt, sieht und hört um sich her eiuen Wirbcl von Bildern,
Namen und Schlagwörtern, ein plötzlich aufgestäubtes Durchcinander von Geschichte,
daö eher noch Verwirrung an ihm stiftet als Bescheid in den Fragen brächte, derent-
wegen er, der Sohn einer aufgewühlten Zeit, die Geister der Vcrgangenheit beschwört.
Romanischeö Weltgefühl, srühgotische Plastik, deutsche Mystik, gotischer Mensch,
scholastische Systematik, Musik dcs MittelalterS, wer weiß was alleS noch bedrängt
mit einemmal das Bewußtsein der deutschen Bildungswelt. Und wie es bei raschen
Erweckungen solcher Art die Regel ist, kommt das Alte beileibe m'cht in seiner reinen
Form hervor, sondern erfährt im Erstehen schon unterm Zugrifs der Gegenwart von
der „Herren eigenem Geist". So hat sich vor huudert Jahren die Romantik ein
Mittelalter nach ihrem Herzen erweckt, so empfängt dieseS gleiche Jahrtausend auch
heute die Tause von Wassern, die nicht aus ihm selbst entsprungen sind. So ehrlich
die Wissenschaft, vor allem die deutsche und französische, seine Erforschung betrieben
hat, die llbersührung der Ergebnisse an die allgemeine Bildung ist ein Vorgang der
Sinngebung aus den Wünschen, Ansprüchen und Erwartungen des Heute. Eine Neihe
 
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