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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 4 (Januarheft 1926)
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Trentini, Albert; Molo, Walter von: Offene Briefe, [1]: Albert Trentini an Walter von Molo [und] Walter von Molo an Albert Trentini
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Malerei der neuen Gegenständlichkeit: ein Gespräch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0234

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Du denkst über den Sozialismus nach? Unser Sozialiömus war, als der Jusammen-
bruch kam, wllhelminisch, er war rein materialistlsch mit wundervollen Phrasen ^der
Menschlichkelt umbrämt, drum hat er versagt. Jch meine, er hat nur deöwcgen noch
so viele Gegner! Wenn Du vom Sozialismus wegnimmst, was Materialismus und
daher Äußerli'chkeit ist, dann hört der Soziali'smus als „Partei" auf, dann karm und
muß jeder anständige Mensch „Sozialist" seln. Dann bleibt allerdings „nur" die
Religiosi'tät, der Kampf um die Mcnfchenwurde übrig, wie Du schr richtlg sagst,
dann wird man endlich wlssen, daß Sozlallst sein, Kämpfer sein heißt — selbstver-
ständlich in der Art, daß man leichtferti'ge Kriege verhindert, das haben nämlich alle
anständlgen Menschen seit je getan, ohne „Sozi'alisten" zu sein — in der Art Kämpfer,
daß man die Jdee des Ganzen, dessen Wohl, über das Wohl des Einzelnen stellt!
Es ist für den Bestand der Menschheit — o diese Noheit von mir! — gänzlich un-
wichtig, ob der Einzelne zugrunde geht oder nicht, wenn nur dadurch die Linie des
hohen Endzieles dauernd von der Gesamtheit im Auge behalten wird. Wir treiben
falsche Humanität! Das Leben ist Kampf, aber es soll nur Kampf für höchste Güter
sein, nicht urn Fressen und Kleidung. Doch auch die sind nötig — daö ewige
Locarno!

Jch habe in diesem Jahre, das für mich, wie Du weißt, als Menfch das härteste
meines bisherigen Lebens war, wie noch nie bestätigt gefunden, daß der Mensch
dann den Andern am meisten liebt, wenn er hart ist. Die Liebe GotteS ist auch m'cht
anderö. VieleS ist der Gesamtheit und mir in diesem Jahre zusammengebrochen.
Wenn die Gesamtheit ein so gutes Gewissen hat wie ich, dann hat sie der Zusam-
menbruch gestärkt, wie cr mich stärkte. Die Weltgesetze und die Menschen sind nicht
so wie wir sie aus Schwäche, aus Faulheit, auS billigem, kleinern Mitleid, gus
JllltagSgüke sehcn wollen, sie sind, wie sie tatsächlich sind: Stirb und Werde! Er-
fülle dich und vergeh zu neuer Lebensform.

Dcr Menfch muß die Kraft erwerben, die unverschiebbaren Gesetze der Ewigkeit
übcrall und durchaus anzuerkennen. Das muß sein, wenn es auch an Herz und Nerven
reißk, sonst ist man kein Mensch. Auf diesem Wege zur wahren Menschwerdung,
der in mancher Beziehung anders läuft, als sich die denken, die das Wort „Mensch"
ununterbrochen im Maule führen und es so mißbrauchen, wollen wir auch im neuen
Jahre mit aller Kraft weiterwandern. Eö wird neue Feinde geben, aber auch neue
Freunde. „Was hülfe es dem Menfchen, wenn er gleich die ganze Welt gewönne
und nähme doch Schaden an seiner Seele!" blnd „Dieser cwige Krieg, dieser Rumor
ist unscreö Herrn Gottes; der hat es erweckt und angerichtet und wird nicht auf-
hören, bis er alle Feinde seines WorteS zu Schanden macht." Laß die Bäume, laß
Menschen fallen, wir wollen nicht Schaden an der Seele erlciden! Wir sind Soldaten
von Gottes Armee, das Reich muß uns doch bleiben; wir marschieren dorthin! Los!
Zu neuem, zu noch heftigerem Angrisf als früher! Walter

Malerei der neuen GegensiändlichkeiL

Ein Gespräch

/"v wei Männer, anscheinend Gelehrte, kommen aus einer Ausstellung. Alö sie
ins Freie treten, quillt folgende Wechselredc, die aufgestaut, zurückgehalten war,
^»^/hervor. Der Mißachtende (M) hat etwaS Abruptes, Energiegeladenes, Abwei-
sendes, er zeigt bestimmte, aber immer nur kurze Griffe, wie jemand, der wache Sinne
hat, dem aber Liebe und langer Atem fehlen. Der eine halbe Generation jüngere,
Suchende (S) blickt immer in die Ferne, spricht nur mit Scheu, aber mit jeneni
Weitblick, der alles Gegensähliche unter große Perspektiven sammelt.

M: (sich nicht mehr halten könnend) Jch v e r st e h e deine Nachsicht nicht.

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