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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 3 (Dezemberheft 1925)
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Bartsch, Rudolf Hans: Von der Gottheit
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Molo, Walter von: Mein religiöses Fühlen: skizzenhafter Versuch einer Selbstbetrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0159

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Sie hal eine persönliche Unsterblichkeil als unvereinbar mit den Erkenntnissen der
Physiologie erwlesen. Der Mensch wird weder in gotteöhungrigen Genies wie Dante
oder Franziskus, noch in Abermillionen mißlungener Exemplaren, sür ewige Zeiten
konserviert.

WaS nu» bleibt uns? Nachdem der unbewußte Gott die Jnsel Krakatoah zerstörte
und dreißigtausend blumenhaft lebende Menschen mit ihr, da hat er kauin vierzig
Jahrc gebraucht, um die völlig lebenslose, graue Lavamasse, auf der auch nicht ein
Insekt und nicht ein Same übriggeblieben war, in eine blühende Palmenwildnis,
reich belebt und beflügelt, zu verwandeln. Müssen wir solch unbewußte Unverwüst-
lichkeit nicht aus aller Jnnigkeit unserer Seele anbeten? Und, wenn „Er" unö
etwas zu sagen hätte, sagt er unö hier nicht deutlich: Jch beginne immer wieder in
den Faltern und Spinnen, in den Blumen und Bäumen? Soll dies sein ewiges Be-
ginnen uns nicht ebcnso lieb sein, wie sein verzweifelndes, ihn und sich sclber negie-
rendes Ende, der Menfch?

Daß Christus „Gottes Kind" gewesen sei, gibt selbst der Heide zu. Aber er betont,
daß die sich im Menschen emporringende, sehnsüchtige Gottheit Tausende und Aber-
tausende solcher Kinder habe; daß jeder kleine Dorfpastor, der „Jhn" ringend und
in Wahrheit sucht und verkündet, ein Buddha ist, ja daß jeder Mensch eS sei, der
den Spuren des großen Unerklärlichen ehrfürchtig, also fromm folgt. Bloß dann
nicht, wenn er haßt und verurteilt, also Fanatiker wird. Freilich, die ganz großen
Buddhas sind an den Fingern einer Hand zu zählen. Aber i'nnner wieder gibt es
gottsehnliche, also göttliche Menschen, und solange die unserm Stamme erblühen,
ists nicht zum Verzweifeln an dieser weltbeherrschenden Kreatur. Solange diese un-
kirchliche, aber dennoch fromme Sucherschaft dem innersten Wesen eines Volkes
eigentümlich und so eigentümlich ist, wie dem Deutschen mit seiner tiefen Naturliebe
und Wandersehnsucht, so lange ist eS frisch und jung.

Für die Moral dem Menschen gegenüber (Politik) bleibt uns die viel größere, blühen-
dere und fchönere gegenüber der Allnatur.

Für den einen, historifch sogar umstrittenen Christus der Westländer bleibk uns die
ewige Nachfolge der Gottheit, welche war und ist bei allen Völkern und in aller»
Ländern, die Nachfolge, die zum ganzen Weltall sagt: Jch liebe dich.

Für die persönliche Unsterblichkeit endlich bleibt uns daö tiefe Gefühl eines einzigen,
unermeßlichen GartenS unzerstörbarer Same zu sein, Helfer zu einem herrlichen
Hinauf und Hinunter deü LebenS, das in Wahrheit ewig ist.

Wenn der Bahnhofgast mit der verödeten Seele so schauen und so sich sehnen lernte,
dann wäre er nicht mehr verelendet. Es ist bloß, daß wir eine Hülle von uns getan
haben — die alte Religion kindlicherer Tage —, ehe wir die viel weitere, glänzendere
und wärmere des Weltallgefühls um unö tun gelernt haben.

Daö Bekenntnis haben wir abgetan; die tiefste Frömmigkeit muß uns bleiben, das
ist alles. RudolfHansBarksch

Mein religiöses Fühlen

(Skizzenhafter Versuch einer Selbstbetrachtung)

Von Walter von Molo

/"ss" s soll hier nicht von den Konfessionen, von der Kirche, von einem persönlichen
I oder ähnlichem „wissenschaftlich" abgehandelt werden, es sollen hier nicht

die einander zustimmenden oder einander widersprechenden Worte anderer zitiert
werden, ich will bloß das Bekenntnis für einen Menfchen unserer Zeit ablegen, den
ich verhältnismäßig noch am besten kenne, weil ich es selbst bin. Vielleicht regt dies
 
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