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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1925)
DOI Artikel:
Bartsch, Rudolf Hans: Von der Gottheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0154

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XXXix- IxHR.QXXO

^II tempo, 6ato a eontemplLi- I6dio^.

Xliekelan^elo.

eit etwa zwei Jahrhunderten ist die menschliche Wissenschaft des enropäischen
1 (I/^WestlandeS bemüht, den Bibechott auS diesem Planeten weMkompIimen-
^— lieren. MeistenS in kuhler Freundlichkeit, oft unfreundlich kühl, seltener leiden-
schoftlich; denn leldenschaftliche Wissenfchaft sitzt im Nachbartum der Dorniertheit.
Heute gibt eS zwei 2trten von Menschen, die noch am Bibelgotte halten, den
die große Masse, besonders in den Städten, längst völlig aufgegeben hat. Die
Mehreren glauben ihn noch auS Trägheit und gerührter llberlieferung oder ganz
bewußt deshalb, weil sie ihn w o I l e n. Wollen, daö ift aber ein weites Reich mit
sehr verfchledenen Verwaltern. Die Könige wollen ihn als Bändiger, und, weil sie
fchließli'ch mit ihm ebenso zufrieden sem können, wie alle Reichen von Rothfchild bis
zum englifchen Bischof, Mylord, Esquire und unserm Junker. BesonderS der gewollte
Judengott hat sich, eben weil er bewußt gewollt wurde, seit drei Jahrtausendcn voll-
kommen deutlich bewährt, ist als Negativpol positiver Willensströme wirklich da und
wird darum nur von sehr ehrlichen und wahrheiköliebenden Juden fallen gelassen.

El Schaddai und Elohim, Jehova und zuguterletzt Gottvater, — im Ganzen
hat man ihnen dennoch gekündigt. Heute demoliert die Wissenfchaft sogar fchon in
harter Arbeit an Gott Sohn, der das einemal niemals gelebt haben soll (leidenfchaft-
liche, also bornierte Wissenfchaft), das anderemal ein wilder Kommunist gewesen sein
soll, dem das Schwert heimlich näher gestanden alö die Li'ebe. Ehe wir ihn nicht als
einen der vielen Buddhas ansehen, werden wir ihn niemals verstehen.

Und wir von heute? Es will unS schei'nen, als bleibe nur mehr der Undeutlichsle,
der in Wahrheit „unbekannte Gott" deö athenischen Altars übrig, „der heilige Geisi,
ba^ion pneuma".

DaS ist aber entsetzlich traurig: daß, weil der Bibelgott wegbewiesen ist, der Unbe-
lehrte deö ganzen europäischen Westlandes nun auch „Gott" an sich wegbewiesen er-
achtet. „Gott." DaS ist ja doch nur ein Wort, das wi'r uns wegen seiner alten und
einfachen Brauchbarkeit aufbewahrt haben, eine unermeßlich dehnbare Hüllc fur einen
Begriff, der inS Unermeßliche greift. Wollte man sich die lächerliche Mühe nehmen,
alle paar Jahre einen neuen Ausdruck zu ersinnen? Dann wäre ja tiefste Weisheik
im jüdischen Gefühl, das ihn zu nennen überhaupt verbietet. Warum also nicht
dieses altc Wort? Statt: Gesetzmäßigkelt, Urtrieb, Schasfensdrang, LebenSgeheim-
ni's, Welteninstinkt, Elektrizität meinethalben sogar?

„Er" isi dennoch da, der Schienenleger der Schwingungen von Weltsystem zu
Weltsystem. Der dualiftische Elektrlker, der Erfinder des Kreises und der Kugel,
der Ellipse und der Gravitatlon, der Alldurchstrahler, der ewige Bastler ewig neuer
Gestalten, der sich, zu unserem Leid und vorderhand zuletzt, den Denkasfen erfand,
der wieder Jhn zurückerfinden sollte und dennoch immer wleder zum Raubaffen wird.
„Er" isi dennoch da.

Es kommt darauf an, ob man ihn will oder ob man ihn nicht will.

Denn dieser Imeion pnsurna bedeuket der Hilflosigkeit christlich-hellenisti'scher Aus-

Oezembechefk igaö (XXXIX, z) IZ7
 
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