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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 4 (Januarheft 1926)
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Vom Heute fürs Morgen
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0290

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Trciitini uiid Wallcr I'VII Niolv l)vbcn
slch bercit erklärt, in unscrm Blatt„Offene
B r i e f e" zu wechseln, bald in einein
Hefr, bald in aufeinanderfolgenden Heflen
osfene Briefe an einander zu verösfentlichen.
Sie werden in dieser Form Tages- und Le-

beiiÄfragcii mil jcnec Uiiiiilllelbarkeil bchan-
deln, dic sich aus allerpersönlichster Fassung
von selbst ergibt. Wir dankcn beiden Herren
für die Bcreilwilligkeil zu dieser dcnkwür-
digen Art der Milarbeil. K L

Bücherschau

-^xer Notstand der auö zeitgefchichtlichen
^--'Gründen vaterlandfrenid gcwordenen
Deutsch-Russcn hat unS Dcutschen cine Füllc
von Werten gebracht, die unS viellclcht
sonst nlcht so geworden wären: vorzüglichc
Ubersetzungen auS dem Russischen. Nebcn
Alcpander Eliasbcrg ist besondcrs Johan-
nes von Günther inlt ineist auSgezcich-
neten, iminer feinfühligen und gcwandtcn,
nur selten hic und da etwaS flüchtigec ge-
faßten ÜberseHungen viclfach hecvorgetretcn.
Bon dicscn ist cine größere Anzahl anzuzei-
gen. Eine der angenchinsten Puschkin -
AuSgaben stehe voran: zwei schönc
schwarzc, goldvcrzierte Lcinenbände, dercn
einer die Nooellcn, der andre die Romane
umfaßt (Berl. Bcck, München), damit also
die ersten und für ein ganzes Iahrhundert
einflußreichen Prosadichtungen des neuercn
Rußlands. Zwei kleincrc Werke PuschkinS,
nicht von glcichcr Bedcutung, erschienen im
Orchis-Derlag (Münchcn): die Don-Juan-
Szenen „D er st e i n e r n e G a st" mit
farbigcn und intensio gcfühlten Jllustra-
tionen von Jos. Eberz, und daS gereimtc
EpoS „DerReiter ausErz" mik zahlreichen,
schnittigen Federzeichnungen von Al. Be-
noiS; bcidcs sind in gewissem Sinne „LuxuS-
bücher", jedoch nicht tcuere PrachtauSgabcn.
WaS das Dichterische anlangt, so kann
man sie etwa als „Handschrlftproben" von
PuschkmS Genius bezeichnen.

I. v. Günther gibt im Drei-Maskcn-Derlag
(München) eine ganze Russischc Bi -
bliothek hcraus, die schon ziemllch viel,
meist dünne Bändc in großcm Format um-
faßt. Einband und Druck sind gleichcrweise
geschmackvoll. Für dicsc Bibliothek hat er
übersetzt LermontowS mehrteiligen, un-
vergeßlichcn Roman „Ein Held unserer
Zcit" (188 Sciten) und Turgenjcws
sozialgeschichtlich und volkssoziologisch bedcut-
samen Roman „Em Adelsnest": oom lctz-
kcren sagt Günther mit Rccht in dcr Wid-
mung: „Mrgend rcincr, nirgends innigcr als
ln dlesem Roman ginllt die unbeschreiblich

keuschc Süße deS unbckannten ewig hei-
ligen Rußlands." Dio Dichtung handelt
von einem, der „aufhört, sich um seln eigeneü
Glück und seino eigensüchtigen Ziele zu küm-
mern" und sehr still wicd, von cinem „cin-
samen und hcimatlosen Wanderer", von
einem „nutzlosen Leben", von Augenblickcn
im Lebcn und Gefühlen — „man soll nur
auf sie hinweiscn und dann vorübergehen".
Es gibt laukere und stärkcrc Büchcr im
Russischen, aber wahrhaftig keln reincrcS,
innigcres . . . In dcr Russischcn Bibliothck ließ
Günther ferner T o l st o j S „Kosakcn" er-
scheinen, jenen wundersamen Roman deü
Großstadtmenschen, der in die Landschaft
und Lcbenslufk der Dschigltten und Tschet-
schenzen kommt und nach einer Zeit tiefer
Erlebnisse wchmütlg und halb enttäuscht wie-
der in die „Welt" zurückkehrt, ein Stück
vollkvmmen Tolstojschen Lebens.

Jm Derlag Buchenau und Neichert (Mün-
chen) erschien in besonders schöner und ge-
schmackooller Ausstattung ein Band „LicbeS-
erzühlungen" von Dostojewski: Die
Sanfte, Die weißen Rächte, AkulkasMann,
Die Hausfrau. Dvstojewskis großc Romanc
sind für Wele recht beklemmend; diese kleine-
ren Erzählungen oon leidender Liebe sind
leichter nahbar, und obwohl auch sie von
jener wortrelchen Psychologie überschwellen,
die alleS Leben in Scclenrcgungen und Re-
flexionen darübcr zerfaserk, gcben sie doch
auch Eindrücke von den tiefsten Anlicgcn,
die Dostojewski jc beschäftigt haben.

Einc sehr bedeutsame Erschelnung ist Ni -
kolai Lcßkow. Dieser fruchtbare und
erfindungreichc Prosadichtcr war so etwaS
wie cin „Reaktlvnär" (obwohl man eö
durchaus nicht allen scinen Werken an-
merkt. ..). Deswegen wuchs seinc Berühmt-
heit nicht im gleichen Maße wie die der
andern großcn Schriftsteller, die nach Europa
ja viclfach wegen ihrer fortschrittlich-oppo-
sitionellen Haltung verbreitct wurdcn. MchtS-
destowenigcr ist Lcßkow — den wir auch in
dcr Kunstwart-Bücherei vcrtreten haben —

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