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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 3 (Dezemberheft 1925)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0200

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wahren sollen. Es sind dies ElemenLe öer Erregung imd Beruhigung, des kulturellcn
Bauenü und der mönchischen Entsagung — öenn auch der Qsten umsaßt die Eegen-
sätze des DaseinS, und der Erdteil Buddhas ist auch der Erdteil Zoroasters. Ganz
von selbst werden mit dem Wiederaufleben der Antike und des Mittelalters auch die
östlichcn Bestände ihrer Kulturen unsere „Teutschvergessenheit" an di'e asiatische
Mitgift des Westens erinnern. Noch einmal — was wir an Östlichem vertragen
können, ist schon unser.

Man wird in unserer Bekrachtung ei'nen Zug der Hofsnung nicht verkannt haben.
Er wäre noch leuchtender geworden, wäre von Deutschlcmd allein die Nede gewesen.
Wir sind trotz allem trächtig von Zukunft, mehr als andere Völker dcs Westenö. Man
weiß, im europäischen Wundfieber dieser Zeit sind lPropheten des Untergangs auf-
gestanden, just in dem Lande, das sie am wenigsten nötig hätke. Hat sich die Ge-
fühlswelt des Germanen immer schon dem Gedanken an Tod und Untergang ver-
brüdert, so kann die Todesmüdigkeit der Gegenwart nicht verwundern. Traurig ist
nur dies, daß das Endgefühl zur Sache einer schamlos kühlen Dialektik geworden ist.
Und die von ihr ergrisfen sind, haben an den Wassern Babylons alles, nur keine
Harfeu in den Weiden aufzuhängen. Denn wären sie nichk von jedem Gott ver-
lassen, sie vermöchten ihrem Volke nicht kalten Derstandes seinen Platz in der
Sterbeliste der Nationen zu errechnen. Unser Unglück wird uns nicht zum Tode,
sondern zu neuem Leben aus uns selber sein. Goethe — svgar er — war der
Meinung, die die Meinung aller Hoffenden ist: es ist vielleicht keine Nation geeig-
neter als die deutsche, sich aus sich selbst zu entwickeln.

Vom Heute fürs Morgen

Vier Mäirner

^5lS wac einmal cin Mann — ein Sati'-
^riker. Zm natürlichen Derlauf dcr Zeit
erschlugen ihn seine Freunde, und er siarb.
Und die Lcuke kamen und sianden um seinc
Leiche. „Er behandclte die ganzc rundc
Wclt als selnen Fußball", sagtcn sie em-
pört, „und sileß sie mit Füßen." Der Totc
bfsnetc cin Augc. „Abcr immer dem Zielc
zu", sagte er.

-^.s war cinmal ein Mann — eln Natur-
^forscher. Und cineS TagcS fand cr einen
Krcbs im Sande der Zeik. Die Gesellschaft
ist cin Krebs; sie kriecht rückwärtS. „Wic
schwarz er isi!" sagte der Naturforscher.
Und cr tat ihn in eine kleine Pfannc über
das hciße Feuer seincS scharfsinnigcn Geistcs.
„Er wird rot werdcn", sagte er. Aber daS
tat cr nicht. So schamlos war er.

S war einmal ein Mann — ein Logiker.
Er fand eine kleine Lehmkugcl auf dcm
Pfade deS LcbenS. „Es isi eine oollkom-
mcn runde kleine Kugel", sagtcn seine Ge-
fährtcn. Abcr dcr Logiker sah, daß sie nicht
mathematisch rund war. Und er nahm sic
zwischen scine Hände und rieb sie sacht.
„Rcibe nicht so sehr", sagken seine Gc-

E

fährtcn. llnd cndlich hörte cr auf und sah
die Kugel an. Sie war kein bißchen runder,
nur ganz auS der Form. Und cr sah scine
Hände an. Sie waren schr schmutzig.
v^.S war cinmal ein Mann — cin Dichtcr.
^Er ging durch die Straßen der Stadt
und tras einen Jünger. „Komm mit mir",
sagte dcr Dichter, „wir wollen eine Wande»
rung in die Sanddüncn machcn." Und sic
gingcn. Abcr sie waren noch nicht weit ge-
kommen, so sagke dcr Jünger: „Hicr isi ja
nichts als Sand." „Wozu habe ich dich
aufgefordert?" sragtc der Dichter. „Zu einer
Wandcrung in dcn Sanddünen." „Dann
beklage dich nicht", sagte der Dichter. „Aber
dcine Worte sind nicht cinmal wahr. Dork
oben isi der Himmel. Siehsi du ihn nicht?
Daran isi der Himmel nicht schuld. Und
auch der Sand nicht."

Maarten MaartenS

s)ie göttliche sMusrka
>rls Gott alle Künsie erschasfen hakte, rief
N cr sic noch einmal zusammen vor sich
md rcdete zu ihncn: „Jede von euch kann
twas, jede daS ihre auf ihre Weise, in
hrcr Sprache, jcde kann andcre Gcheim-
 
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