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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1925)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0177

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Lose BläLLer

Llus denGedichten undAHorismen vonJsoldeKurz

(^V^solde Kurz gibt ihre gesammelten Werke herauS*. Fast vierhundert Seiten stark
^ ist der erste Band: Gedichte, von der Frau, di'e ihr Leben überblickt, zusammen-
-^^Zgestellt als gültiges ZeugniS ihreS Seins und Schassens. i8go gab Jsolde Kurz
schon die zweite Auslage ihrer Gedichte heraus. Si'e hat als Dichterin verschieden-
artigste Zeiten miterlebt: die mi'ldere und mattere vor dem Kriege, den Krieg selbst
und die wildere und revolutionärere nach dem Kriege. Aber immer blieb sie unbe-
skochen und schlicht in ihren natürlichen Grenzen. Jmmer bleibt sie die wartne
liebevolle, vom Geist angerührte, fleißige Frau, die nicht zur Bi'IIigkeit versührt
wird durch slache Jähre und nicht zur Tollheit durch rasende. Schon die Form ihrer
Gedichte beweist es: Kaum gebraucht sie einmal ein gelösteres Maß; ihr dienen die
Formen, die Goethe und Schiller dienten, und oft erinnert ihre Form an Annette
von Droste. WaS sie so gibt, hat nicht Kühnheit noch Überschwang, aber auch keine
Frechheit, keinen Aufwand. Es ist durchsichtig und reif. Es ist tüchtig erarbeitet
und vcrläßlich. Ehrlich setzt sie sich dem Vergleich mit diesen großen Dichtern auS,
dem so viele Junge sich entziehen, indem sie die alten Formen meiden. Dieser Ver-
gleich besagt freilich, was er notwendig immer besagen muß: Die Heutige erreicht
die nicht, deren Form sie übernimmt. Es fehlt ihr jener bestimmende innere Antrieb
des Dichterischen, das wir schwer beschreiben können, eS fehlt ihr das starke Aroma,
das großen Dichtern eigentümlich ist und mehr noch alö der Kreis ihres Stoffes
den Anzeiger der inneren Kraft ausmacht. Anch im Stofflichen ist Jsolde Kurz ein-
geschränkt. Sie bleibt immer eine Frau und gelangt nie hemmungslos in das geistige
Jenseit der Geschlechter. Jhre Bilder und Erfindungen sind nicht ans diesem Jenseit,
sondern auü dem Alltag des Diesseit. Und vor allem ist eS auch der Jnhalt nhrer
Gedichte. Was sie zum Dichten anregte, war zumeist Liebe, ei'n wenig Liebesglück,
viel Liebesklage, viel Schmerz um verlorene Jngend. Zuweilen schcint es, als lebs
die sehnsüchtige Frau zu wenig stark in der Gegenwart, zu tief vom Rückblick ge-
lähmt. Die s)dee der Reinkarnati'on kehrt in diesen zarken, weichen Träumen oft
wieder. Der zwei'te Stoff, der sie beseelt, ist die Natur, die italieni'sche zumal, die
sie liebt. Der dritte ist der Geist. Er erscheint in den Gedichten zumeist als gefühlö-
mäßiger Niederschlag dessen, was sie durch die großen Dichtungen erlebke. Man
kann fühlen, was Homer und die Griechen ihr waren; die Bibel spiegelt sich und
zuweilen tauchen die mittelalterlichen Heldensagen auf. DieS alles wird überaus fühl-
sam und zugleich ohne eigentliche Schöpferkraft, ohne Dämonie gegeben. Den Bal-
laden fehlt das Reißende, das sie erst wertvoll macht. Die großen Gedichte geistigen
oder erzählenden GehalteS sind meist nur eine Art gebundene Prosa, nicht recht
konzentrierte Dichtung. Den Schluß deS BandeS bilden zwei größere episch-lyrische
Werke. Das einc heißt: „Die Kinder der Lilith" und erzählt von der Jugendzeit der
Menschheit, von Verstrickung durch Eva, die daS gotterschaffene Flügclwesen Lilith
verdrängte, und von deren Sohn, den sie von Adam empfing und der in oft ver-
wandelter Gestalt auf die Erde kommt, um aufwärtszuführen. Es ist rein und naiv
in reimendem Versmaß geschrieben, und ist es auch nichk stark und groß, so ist
es doch aus reinem Herzen geboren. Das andere, „Leuke", handelt von Helena und
Achilleus, wie sie sich als Schatten tresfen. Auch dieser Dichkung mangelt Dämonie.
Sie isi nicht unheimli'ch, nicht erschütternd. Und doch isi sie schön und rührend, weil
sie aus einem Gemüt geboren ist, das Griechenland mit großer Jnnigkeit liebt.

' Dgl. d!e Büchcrschau dieseS Heftes!
 
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