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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1925)
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Schultze-Naumburg, Paul: Naturschutz und Industrie: Vortrag anläßlich des 1. Deutschen Naturschutztags in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0029

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NaLurschuH und Jndusirie

Vortrag anläßlich des i. Deutschen IlraturschuHtags in Müuchen

man nach den Machken fragt, di'e in das Bild unserer Landschaft ein-
^ ^>greifen, so mnß man sie m drei große Gruppen einordnen: erftens die
menfchli'che Tätigkei'L, die auf die Ausnutzung der Pflanzenwelt gerichtei
ift, also die Forst- und Landwirtfchaft. Sie ift i'hrem ganzen Wesen nach nicht
Landfchaft zerftörend, sondern mir umbildend, ja aufbauend, da sie im wesentlichen
mit dem Materlal der Natur selbft, mi't der Pflanze arbeitet. Denn wir dürfen
unü nicht darüber täufchen, daß das Bild des weitauS größten Tei'lcs unserer
Landfchaft ein Werk des Menfchen ift, der mit Rodungen, Wegen, Feldern und
Baumpflanzungen aller Art aus dem ursprüngli'chen Zuftande etwas gänzlich Neues
gefchasfen hat, was wir mit Kulturlandfchaft zu bezeichnen pflegen. Danach kommt
zweitenS die Bautätigkeit des Menfchen, soweit sie Kultzwecken, Wohnzwecken, der
Verwaltung und Vergnügungcn dient. Und endlich drittenS die Jnduftrie. Sie hat
zur Aufgabe die Gewinnung der Rohftoffe, die Erzeugung der Waren, den Aus-
taufch dieser Waren im Verkehr, den motorifchen Verkehr selbft und endlich die Ge-
winnung der Energie, die bei allen Teilen gebraucht wird. Neben all dem darf
man nicht die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen übersehen, die die Jn-
duftrie mit sich bringt.

Fragt man nach dem Grade der Wirkung, den die gefchilderten drei Hauptbetätigungcn
des Menschen auf die Landfchaft ausüben, so müßte wohl die Land- und Forftwirt-
fchaft bisher an der Spitze der Antwort ftehen. Denn es befteht kein Zweifel, daß
sie es vorzugsweise war, die dem Wesen der deutfchen Kulturlandfchaft ihr Gepräge
gegeben hat. Es ift aber nicht zu verkennen, daß dies Verhältnis sich heuk zugunften
der Jnduftrie zn verfchieben beginnt. Die Bautätigkeit des Menfchen, wie sie sich
in Wohn- und andern Bauten knndgibt, deckt zwar auch immer größere Streckcn
Landes zu, doch gefchieht dieö vorzugsweise auf den gefchlossenen Komplexen der
Städte, die ohnehin der eigentlichen Landfchaft entzogen sind und gewissermaßen das
Gegenteil von ihr vorftellen. Die Jnduftrie dagegen wirkt zermürbend auf die Land-
fchaft, denn sie arbeitet mit Mitteln und Material, die dieser fremd sind, und dringt
hemmungslos mit einer früher ungeahnten Kraft in das gesamte Land bis in die
einsamften Gegenden vor, so daß es in Deutfchland kaum noch einige Neservate
gibt, denen die Jnduftrie nicht in irgendeiner Weise ihr Zeichen aufgepreßt hätte.
Dieser Vorgang soll unserer heutigen Betrachtung zugrunde liegen.

Will man kritifch zu ihm Stellung nehmen, so erfcheint es uncrläßlich, gerade bei
der Jnduftrie, die die Hälfte unserer gesamten Wirtfchaft bedeutet, den einzunehmen-
den Standpunkt zuvor genau feftzulegen und zu rechtfertigen. Denn wie überall
hängt von ihm das zu entwerfende Bild entfcheidend ab. Steht man sehr nahe,
so werden sich Verzerrungen, ja gänzlicheö Verdecken mancher wichtigen Teile nicht
vermeidcn lassen. Gcht man weiter weg, so ergeben sich von hoher Warte aus klar
überfchaubare Verhältnisse, und die gegeneinander abzuwägenden Dinge fcheinen in
cinnähernd gleicher Größe nebeneinander aufgebaut. Anderseits muß man sich auch
gerade bei einer Materie wie der vorliegenden davor hüten, einen allzu weiten
Standpunkt einzunehmen, von dem auö die Objekte nur noch als fchimmernde Ferne
erfcheinen. Denn so sehr sich dabei auch das Gesichtsfeld weitet, und gleichsam
Ewigkeitsperspektiven hinzutreten, so nähert man sich hierbei doch zu sehr dem
Zustande, wo man nach dem Sinn des Lebens überhaupt fragt und bei den letzten
Dingen endet, für die unser Planet nur noch ein Stern unter andern Sternen wird.
Da verliert der Menfch leicht sein Jnteresse an den Erfcheinungen des Lebcns und
Jnduskrie und Landfchaft werden ihm gleich unwichtig. Noch weniger dürfen wir

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