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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 2 (Novemberheft 1925)
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Wauer, William: Wesen und Dinge in der bildenden Kunst
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Bernhart, Josef J.: Mittelalter und Gegenwart, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0119

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mit typischen Sentiments und herrschenden Jdeen, die sich sv gern „Jdeale"
nennen). Da können Traditionen und Geschmacksschablonen kelne Rolle spielen.
„Waü ist schön?" Der letzte ästhetische Wirklichkeitswert steckt in den Worten Mar-
quis Posas: „O Königin, das Leben ist doch schön!"

Daü Leben!

DaS erlcbte Leben, das Leben als Erlebnis, das sinnlich ersaßte Leben. Nicht daS
„bedachte", „begrissene" — das tvir alle sür mehr oder tveniger unschön halten.
Kunst ist die höchste Ausdruckssorm des Lebens schlechthin, wie die Ausdruckssorm
des Erlebens seine ästhetische Wertung ist. Hier liegt aller Künste letztes dingliches
Wcsen — außerhalb aller Wesen und Dinge. William Wauer

MiLLelalLer und GegenwarL

ii.

Von Joses Bernhart

/^^Hie verhalten sich Mittelalter und Gegenwart unter dem Gesichtspunkt der
) ^ >tiefsten Bewegursachen ihrer Kämpfe? Wir zeichnen drei gemeinsame große
Spannungen, obgleich wir uns bewußt sind, daß sie zusammenhängen in
dem Einen, daS Goethe meint, wenn er den Kampf von Glaube und Unglaube das
tiefste Thema der Weltgeschichte nennt. Es sind, um vorläufig in den knappen
Schlagwörtern der Philosophie zu sprechen, die Gegensätze Jnnnanenz und Tran-
szendenz, metaphysisch-symbolisches und historischeS Weltgesühl, Jndividualismuü und
Universalismus.

Borab sei sestgestellt, daß die Krisen und Kämpse deS Mittelalters an der Macht
der Kirche zum Stillstand kamen oder wesentlich von ihr, sei es durch geistige Kräfte
oder durch Feuer und Schwert, geschlichtet wurden. Jm Gedanken der Kirche an
sich und im System ihrer Gedanken lag und sestigte sich immer wieder der Halt und
Zusammenhalt der Gesellschast. Gcwinnt nun diese Gesellschast auch zu keiner Zcit
die wirkliche Form nach dem Jdeal der Kirche, so blieb sie doch durch ihr Jdeal die
Hüterin der göttlichen Zwecke des Daseins und hielt über der Unzulänglichkeit der
irdischen Stadt GotteS daS unveränderlich leuchtende Bild dessen, was sein sollte.
Sie verkündigte die klare Überweltlichkeit, Weltüberlegenheit des Weltgrundes.
Darin folgte ihr bei aller Mystik ihr machtvoller Baumeister Augustinuü, darin
mit wunderbar reiner Begrisslichkeit Thomas von Aquin, darin auch der un-
myslische Dante, die repräsentative Stimme deS ganzen Jahrtausends. Mit Meistcr
Eckhart zerfallen die Dämme: der Gedanke der Jmmanenz, des Beschlossenseinü der
Gottheit innerhalb des Weltgeschehens, der kaum zu einer Zeit deS Mittelalters
ganz geschwiegen, ja oft bedrohlich sich aufgerungen hatte, greift um sich und er-
zwingt sich in der Renaissance (Giordano Bruno), in der Resormation, in der
Aufklärung und im JdealismuS der deutschen Philosophie und Klassik die Herr-
schast über die moderne Welt. Als die Grundmeinung des Jmmanenzglaubenü
stellte sich etwa dies heraus: die gesamte Wirklichkeit, die wir als Menschen inne-
haben oder je noch hinzugewinnen, ist an und für sich ein Sinn-Ganzes, unbedürstig
eines Prinzipü außerhalb — es ist auö sich und in sich und für sich ein auf sich selbst
bezogenes Totales, das nichts Anderes, Zweites braucht, um zu sein, lebendig zu
sein, sinnvoll und wertvoll; und nennen wir das Geheimnis seines Jnnersten Gott,
so ist er doch nur die ewige Seele deS ewigen Weltleibes, immer und notwendig
mit ihm verhaftet — die Gott-Welt: ein ewiges Lebcwesen, vielleicht sogar ohne
Bewußtsein seiner selbst, nur durch sein inneseiendeS Gesetz unerforschlicher Herkunft
 
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