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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 2 (Novemberheft 1925)
DOI Artikel:
Bernhart, Josef J.: Mittelalter und Gegenwart, [2]
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Schumann, Wolfgang: Humanismus und Realismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0124

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das Leben beschwören, das lebendige Geslern nnd das lebende Heute aneinander
messen, um das Jmmer-Eine in aller Einmaligkeit, das Beharrende im Wechsel,
das Gleiche im Nacheinander zn erkennen. Es ist kein Zweifel, eine solche Drama-
turgie des historischen GeschehenS führt hart heran bis an den Bereich der Deutung
der Geschichtc aus irgend einem Glauben oder Wollen und übersteigt die Zuständig-
keit und mithin auch das Necht und die Pslicht der Wissenschast Geschichte. Sie
wäre bei aller Annäherung an die Blickweise des Frommen, der im „ewigen Nun"
Gottes lebt und von ihm aus sieht, nur ein Jnterirn, aber doch eine Stufe des
Übergangs zur Ruhe in dem symbolischen Weltgefühl, das im Werden das Sein
erfaßt und Wahrheit liesi, die unvergänglichcr ist als Wahrheit in dem Sinne, wie
Geschichte wahr ift. Zwischen der kindlichen Gcschichtsfremde Amerikas und der
Weise des Dstens, mit der Geschichte als flüssigem Stoff zur poetischen Aussprache
des meditierenden Geistes zu verfahren, ist unser alter Westen als das Reich der
Mikte berufen, über der Erkenntnis des So-Geschehcnscins, die von der Wissenschaft
zu besorgen ist, dem tieferen poetischen Organ die Freiheit zu gewähren, zu schauen,
was nicht zu erkennen ift. Mag der eine das Werden aufrollen, so mag der andere
den Diebstahl am Leben, der Erkenntnis immer gewesen, ersetzen in Entwürfen vom
Sein und Wirken des verborgenen Dichters aller Geschichte. Daß es hieran eben
unserer Gegenwart gebricht, das heftet sie mit heimlichem Neide an die Zeit, der
das heilige Band der Tradi'tion noch nicht entglikten und darum das Gestern im
Hcute lebendig war, das Heute aber lebendig im Hinblick auf seincn altcrslosen
Grund und Geber.

Was sich nie und nirgend hat begeben,

Das allein veraltet nie.

(Schluß folgt)

Humamsmus und Nealismus

(^^-"V-'enn man die Leitvorstellungen unseres Bildungwesens auf die wesentlichen
^ t- >Gegensätze hin betrachtet, so gehen sie in zwei Hinsichten auSeinander:

hinsichtlich der Methode und des Ziels. Jn methodischer Hinsicht stehen
die Anhänger der autoritären Erziehung, einer Erziehung gewissermaßen „von oben
herab", Erziehung mit viel Zwang und Bcfehl gegenüber den Vertretern der jugend-
tümlichen, dem Zögling angepaßten Erziehung ohne Autorität und Zwang durch
„Gemeinschaft", in freundschaftlichem Beieinander, wenn nicht gar in hellem
Liebesbund. Ungefähr gleichlaufend dazu kommt der Gegensatz „Lernfchule wider
Arbeitschule" ins Spicl. Das sind die Gruppen, welche vorwiegend über das W i e
der Erziehung und Bildung miteinander in Fehde liegen. Nicht mit ihnen wollcn wir
uns hier befassen.

Wir fragen vielmchr nach dem Wozu oder Wohin; und müssen notgedrungen
gleichzeitig nach dcm geiststofflichen Mittel der Bildung und Erziehung fragen.
Da treten ganz andere Gegensätze auf; in großer Fülle beherrschcn sie dic Diü-
kussion; und doch lassen sie sich viclleicht auf eines zurückführen. So viel immer
von der einen Schar vorgebracht wird, sei cs auch in den mannigfaltigsten Wen-
dungen, Phraseologien, Einkleidungcn und Plänen, — eö bedeutet inimcr wiedcr
dassclbe: man müsse die Jugend zu „modernen Menschen" erziehen. Man mag
daS Ziel bezeichnen: Wir wollen brauchbare Staatsbürger oder gute Nepublikaner
heranbilden; man mag sagcn: Wir wollen soziale und soziablc Menschenkinder
heranziehen; man mag erklären: Die Schule soll dcm Leben dienen, oder: sie soll
tüchtige, mit den Hauptsachcn des Heute vertrautc Männcr und Frauen liefern;
man mag im Einzelnen Werkunterricht, Phnsik, Ehemie, lebende Sprachen, Tech-
 
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