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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1926)
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Werfel, Franz: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0295

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XXXlX'

Gedichte

Von Fraiiz W erfel
Die Erwcckung

»^ls das heilgc Kind im Weinberg träumke,

^ I Noch von seinem Geifte unerweckt,

Ilnd im Haus dic Mutter wufch und ränmte
2lnf den Knien, hielt sie ein erfchreckt.

Durch die vcrfchlossene Tiir gefchritten
Kam ein Kind und ftand in der Stube Mitken,
Jesu gleich an Licht, an Gesichk nnd Sikten,
Das sein Ärmchen ihr entgegenftrcckt.

Jäh die Mutter, ahnend, was ihr drohke
Ilnd dem Knaben, der im Weinberg spiclt,

Flüftertc: Das ist der Todesboke,

Kleiner Engel, der die Kindlein ftiehlt.

llnd sie nahm das Gespenst, dessen 2lugen sie blenden,
Faßte die hellen Händchen mit bebenden Händcn,
Band an die Bettsiatt das Kind mit dreifachen Bänden
Eines Garns, das feft gefangen hielt.

Wo der Vaker seine Reben pfählke
Stand der Knabe still im Mittagshain,

2lls die Mutter akemlos erzählte
llnter Todesangst und Tränenpein.

Kindes schweigende 2lugen waren erglommen,

Seiner Elkern Hände hat es genommen:

Laßt mich nach Haus! Ein Brüderchen ist gekommen,
llnd ich spiel ja immer nur allein.

Rabbi Josef sah, der Ernste, Starke,

Groß sein Weib an, sonderbaren Schcins.

llnd er schulterte sogleich die Harke,

llnd sie gingen heim durchs Meer des Weins.

Februach-ft Igu6 (XXXIX, 2)

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