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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 6 (Märzheft 1926)
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Leser-Klagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0406

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Leser-Klagen

»-lö wir im September die Ziele des neuen „Kunstwarts" in der Form eines

I klar umrissenen ProgrammS kundmachten, haben wir die Leser um Bertrauen
^^und um Geduld gebeten. Es erfüllt uns nun mit freudiger Genugtung, daß wir
seither nicht nur Vertrauen und Geduld, sondern von vielen, ja von sehr vielen Seiten
auch das Bekenntnis uneingeschränkter Zustimmung zu unserer Arbeit empfangen
durften. Die Tatsache aber, daß wir diese Arbeit nicht für uns leisten, sondern für
eine Gemeinde von Menschen, die gleich ünö ihr Jdeal in der Bejahung der Lebens-
aufgabe und im Aufruf des deutfchen Menschen zu seiner höchsten Leistung finden,
— diese Tatsache stellen wir nur dadurch am besten ins Licht, daß wir nach dem
Dank für Anerkennung nnd Gefolgfchaft offen und vor allen Lesern auf die — wenn
anch nur wenigen — Stimmen Jener antworten, die uns mitteilten, inwieferne wir
ihre Zufriedenheit noch nicht erwerben konnten. Nun mißverstehe man uns freilich
nicht! Wir geizen nicht im geringsten darnach, Allen zu gefallen, und sind, begreif-
licherweise, aus innerster Gebundenheik nicht imstande, „Konzessionen" zu machen,
wo das Wesentliche unserer Ziele und unsereö WegeS angefochken wird; entfchlossen
wir uns doch zu beiden auf dem Grunde vieljährigen, vergleichenden und immer fester
sich besiätigenden ErlebnisseS und der gewissenhaften Prüfung, ob sich der Wert,
den dies Erlebnis für uns barg, auch Anderen vermitteln lassen ivürde. Jn diesem
Sinne müssen also auch wir sagen: wer nicht mit uns ist, ist wider uns! Hingegen
halten wir es allerdings für unsere auSgesprochene Pflicht, jenen Leser, der uns
innerhalb des Rahmenö unseres Programms Einwände macht, noch strcnger anzu-
hören, als den Lobenden. Nicht nur, weil wir uns von jeder Starre, gar aber vo»
jedcni Dünkel der Alleinrichtigkeit unserer Zielpunkte frei wissen; sondern weil wir
umso bercitwilliger selber lernen wollen, je eindringlicher wir versuchen, Andere lernen
zu lassen.

Drei Einwände wurden von den Briefen jener Unzufriedenen gegen den neuen Kunst-
wart erhoben: daß er in den Hauptpartien zu „schwierig" sei; daß er sich zu ivenic,
mit bildender Kunst befasse; und daß er zu wenig von Musik handele.

Alle drei Klagen wollen wir ohne Rückhalt hier besprechen.

i. Oer „schwierige" K u n st w a r t

Diese Klage entbehrt nicht der Berechtigung. Sei aber gleich angemerkt, daß uns
eiue beträchtliche Anzahl von sehr maßgebenden Stimmen zukam, die gcrade dao
lobt, was diese Klage uns vorwirft: daß der „Kunstwart" sich um die Aufhellung
großer geistiger Zusammenhänge bemüht und dabei ungescheut das denkende Mit-
gehen der Leser beansprucht.

Und nun fragen wir: konnten wir, was wir zu sagen hatten, wesentlich „leichter"
vortragen?

WaS trugen wir vor?

Eine Folge von Auseinandersetzungen zu den Haupkpunkten unseres Programms.
Dieses aber hat keinen anderen Zweck, als einen KreiS von Vorstellungen darzuzeigen,
die sich der ganzheitlich gerichtete Mensch von alledem zu machen vermag, waS ihm
gegenübersteht; also von Gott und von der Welt, von den Zusammenhängen zwischen
diesen beiden, von den Zusammenhängen zwischen ihnen und dem Menschen, und
endlich auch von den persönlichen Rechten und Pflichten des Menschen Gott und
der Welt gegenüber. Zweierlei also sollte das Programm im Leser aufregen: die
Möglichkeit, sich ein Weltbild zu schaffen, welcheS nichts vom Gegebenen aus-
läßt; und überdies die Möglichkeit, sich eine Regel für daö vollkommenste Leben
in der Welt dieses BildeS zurechtzuzimmern.

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