nisse ergründen und ihr alle zusainmen
könnt alle Rätscl deü McnschenlcbcnS löscn."
Wie dics alles iin Einzelncn seh daS ging
er der Relhe nach durch, indem er dle Na-
men der vlelen Künsie ausries und srhliesslich
jede sragte, ob sie versianden habc. Dabci
sicl es nun auf, daß bereits die allerunschcin-
barsien Künstchcn an die Reihe kamen, ihr
Programm erhielten, aber immer noch nicht
die klcine Musika genannt war, die bc-
scheidcn in der Eckc siand und immer weitcr
zurückgcdrängt wurde, währcnd die andern
vorgingcn. Mcr dcr gute, alte Gott schien
scin Versehen nicht zu bemcrken, cr suhr
ruhig in sciner Delehrung sort, nahm zuletzt
die allcrgeringste Kunsi, dic cr übcrbaupt ge-
macht hatte, vvr und crklärtc ihr, wie sie sich
anzusicllen habe, um auch noch ctwas sagcn
zu könncn. Da jedc Mgesertigte sogleich zu
vcrschwindcn hattc, stand endlich die klcine
Musika noch ganz allcin im Saal, viel-
mehr in der Ecke im Schattcn eineS Psei-
lerS, halb lächclnd, halb wcincnd. Sie glaubte
schon, sie sci gänzlich vergessen und wcrde
dann auch einsam und oerlassen, von nie-
mand bcachtet, in der Welt umhcrwan-
dcrn müsscn. Abcr da rief der Herr sie
mit frcundlichcm Blick heran und sprach:
„WaS die Künsie dcn Mcnschcn so scheinbar
besiimmt sagen kvnnen, daß sie, die Eiteln,
cin Sysiem von Wortcn daraus machen
werden, wie ich ooraussehe, daS isi allcS
bercits an die andern vcrgeben. Dich, Mu-
sika, habe ich mit Bedacht als letzte auf-
gcrusen, du sollst auch die lctzte sein, dic
sie mit gemeinen Worten belcidigen können,
denn du bisl die ersie und nächsie an mci -
nem Wort. Nur siumm sollen die Bc-
grisfsmcnschen dich findcn, denn du bisi die
beredtesie; jedem nur seinen eigenen, unver-
fälschtcn Geheimgott wirsi du wachrütkeln,
nichts wcitcr, und dadurch alle Göttcr kün-
den, die mir untcrtan sind, Teufcl wie
Engcl, alle, die mir, dem Ewigen, gehorchen
müsscn. So bisi du die Größte, weil die
Klcinsie, die Allgcmcinste, weil die Be-
sondcrsie, die Stärkste, wcil dic Sanftesie.
Du wirst kcin cinzigcs GeheimniS verraten,
kcin einziges Rätsel löscn, indem du alle
Geheimnissc ausplaudcrst und alle Rätsel
lösefi. Und sasi wie ich selbsi wirsi du aus
Totem Lcbendcs und auS Lcbendem Totes
machen, dcnn du bisi dic nächsic aller
Künsie an meincm Mund und du bisi darum
die göttlichsic!" — — —-
Martin Rheinfrank
Bcrliiier Theaker
<7^>n England, daS sonsi sür die moderne
^)Theaterkultur nichk viel bedeuket, hat
man zu Beginn dicscr Spiclzcik das be-
merkcnSwerte Schlagwort vvn dcn „Städten
mit wohlwollcnder Theaterseele" gcprägr.
Die cnglischen Dramatiker und Direktoren
haben nämlich, gcnau wie die unsrigcn, schon
scik geraumcr Weile cin Haar darin gcfun-
den, daß das Glück eines neuen Stückes
zuersi in London crprobt wird, dessen
Theatergeschmack inimer launenhaftcr und
unberechenbarcr geworden isi. Dcshalb flüch-
ken sie mit. ihrcn Uraufführungcn auf dic
„Dörser", wenn man Andusiriezentren wie
Manchesier, Birmingham, Livcrpool, Glas-
gow, Shcssield und Lecds so nenncn darf.
Hier probiert man zunächst cinmal die Stücke
aus, und erst wenn sic die Feuerprobe
in der „Provinz" gut bestanden haben,
wagt man sie nach einem „LäutecungSvcr-
fahren" auch den Londonern vorzusetzen, die
dann freilich untcr den Erfolg crsi das
Siegcl drücken. Es scheink, als wolle sich
dies Dcrsahren dcr „provinziellen Dor-
insianz" auch bci unS durchsetzen. Ncin, cS
h a t sich schon durchgcsetzt — mit AuSnahme
selbsivcrständlich der ausländischcn, insbe-
sondere der französischen Ncuheiten, für
die Paris daS Fegefeuer besorgt. Für die
deutschen Stücke muß diese Sichtung von
geradezu verheercnder Wirkung sein; Dezi-
mierung wäre ein viel zu gnädigeS Wort
dafür. Konntc eS dvch von Mitte Oktober
bis Mikte Novcmber geschehcn, daß auf
dic gesamten Bcrlincr Theatcr drei, sage
und schreibe drei „neue" dcutsche Stücke
drangen, Stücke von so bescheidenem Range
wie Mells „Aposielspiel", Klabunds „Kreide-
kreis" und KaiserS „Jüdische Witwe".
Gingc es in der Kunsi nach dem Sprich-
work, daß untcr den Dlinden der Einäugige
König ist, so müßte ich mich nun wohl
zu ciner gründlichen Kritik an dem
„A p o st e l s p i c l" des üsterreicherS Max
M e l l anschickcn. Abcr ich fürchte, daS
zarte und schmächtige Ding könnte unter
solchcr Berührung zerbrechen. Denn waS
ist es im Grunde? Nichts andres als die aus
dcm Muttcrboden naiv-religiöser Volkstüm-
lichkcit in dcn Blumcntopf politischer Ak-
tualität vcrpflanzte Wundergeschichte von
der Bekehrung zweicr hartgcsottener Sündcr
durch cin kindlich gläubiges, vcrtrauensscliges
Gemük. Zwci Bolschewiken in zcrschlifse-
ncm Feldgrau, die wilde Brust vollcr Raub-
könnt alle Rätscl deü McnschenlcbcnS löscn."
Wie dics alles iin Einzelncn seh daS ging
er der Relhe nach durch, indem er dle Na-
men der vlelen Künsie ausries und srhliesslich
jede sragte, ob sie versianden habc. Dabci
sicl es nun auf, daß bereits die allerunschcin-
barsien Künstchcn an die Reihe kamen, ihr
Programm erhielten, aber immer noch nicht
die klcine Musika genannt war, die bc-
scheidcn in der Eckc siand und immer weitcr
zurückgcdrängt wurde, währcnd die andern
vorgingcn. Mcr dcr gute, alte Gott schien
scin Versehen nicht zu bemcrken, cr suhr
ruhig in sciner Delehrung sort, nahm zuletzt
die allcrgeringste Kunsi, dic cr übcrbaupt ge-
macht hatte, vvr und crklärtc ihr, wie sie sich
anzusicllen habe, um auch noch ctwas sagcn
zu könncn. Da jedc Mgesertigte sogleich zu
vcrschwindcn hattc, stand endlich die klcine
Musika noch ganz allcin im Saal, viel-
mehr in der Ecke im Schattcn eineS Psei-
lerS, halb lächclnd, halb wcincnd. Sie glaubte
schon, sie sci gänzlich vergessen und wcrde
dann auch einsam und oerlassen, von nie-
mand bcachtet, in der Welt umhcrwan-
dcrn müsscn. Abcr da rief der Herr sie
mit frcundlichcm Blick heran und sprach:
„WaS die Künsie dcn Mcnschcn so scheinbar
besiimmt sagen kvnnen, daß sie, die Eiteln,
cin Sysiem von Wortcn daraus machen
werden, wie ich ooraussehe, daS isi allcS
bercits an die andern vcrgeben. Dich, Mu-
sika, habe ich mit Bedacht als letzte auf-
gcrusen, du sollst auch die lctzte sein, dic
sie mit gemeinen Worten belcidigen können,
denn du bisl die ersie und nächsie an mci -
nem Wort. Nur siumm sollen die Bc-
grisfsmcnschen dich findcn, denn du bisi die
beredtesie; jedem nur seinen eigenen, unver-
fälschtcn Geheimgott wirsi du wachrütkeln,
nichts wcitcr, und dadurch alle Göttcr kün-
den, die mir untcrtan sind, Teufcl wie
Engcl, alle, die mir, dem Ewigen, gehorchen
müsscn. So bisi du die Größte, weil die
Klcinsie, die Allgcmcinste, weil die Be-
sondcrsie, die Stärkste, wcil dic Sanftesie.
Du wirst kcin cinzigcs GeheimniS verraten,
kcin einziges Rätsel löscn, indem du alle
Geheimnissc ausplaudcrst und alle Rätsel
lösefi. Und sasi wie ich selbsi wirsi du aus
Totem Lcbendcs und auS Lcbendem Totes
machen, dcnn du bisi dic nächsic aller
Künsie an meincm Mund und du bisi darum
die göttlichsic!" — — —-
Martin Rheinfrank
Bcrliiier Theaker
<7^>n England, daS sonsi sür die moderne
^)Theaterkultur nichk viel bedeuket, hat
man zu Beginn dicscr Spiclzcik das be-
merkcnSwerte Schlagwort vvn dcn „Städten
mit wohlwollcnder Theaterseele" gcprägr.
Die cnglischen Dramatiker und Direktoren
haben nämlich, gcnau wie die unsrigcn, schon
scik geraumcr Weile cin Haar darin gcfun-
den, daß das Glück eines neuen Stückes
zuersi in London crprobt wird, dessen
Theatergeschmack inimer launenhaftcr und
unberechenbarcr geworden isi. Dcshalb flüch-
ken sie mit. ihrcn Uraufführungcn auf dic
„Dörser", wenn man Andusiriezentren wie
Manchesier, Birmingham, Livcrpool, Glas-
gow, Shcssield und Lecds so nenncn darf.
Hier probiert man zunächst cinmal die Stücke
aus, und erst wenn sic die Feuerprobe
in der „Provinz" gut bestanden haben,
wagt man sie nach einem „LäutecungSvcr-
fahren" auch den Londonern vorzusetzen, die
dann freilich untcr den Erfolg crsi das
Siegcl drücken. Es scheink, als wolle sich
dies Dcrsahren dcr „provinziellen Dor-
insianz" auch bci unS durchsetzen. Ncin, cS
h a t sich schon durchgcsetzt — mit AuSnahme
selbsivcrständlich der ausländischcn, insbe-
sondere der französischen Ncuheiten, für
die Paris daS Fegefeuer besorgt. Für die
deutschen Stücke muß diese Sichtung von
geradezu verheercnder Wirkung sein; Dezi-
mierung wäre ein viel zu gnädigeS Wort
dafür. Konntc eS dvch von Mitte Oktober
bis Mikte Novcmber geschehcn, daß auf
dic gesamten Bcrlincr Theatcr drei, sage
und schreibe drei „neue" dcutsche Stücke
drangen, Stücke von so bescheidenem Range
wie Mells „Aposielspiel", Klabunds „Kreide-
kreis" und KaiserS „Jüdische Witwe".
Gingc es in der Kunsi nach dem Sprich-
work, daß untcr den Dlinden der Einäugige
König ist, so müßte ich mich nun wohl
zu ciner gründlichen Kritik an dem
„A p o st e l s p i c l" des üsterreicherS Max
M e l l anschickcn. Abcr ich fürchte, daS
zarte und schmächtige Ding könnte unter
solchcr Berührung zerbrechen. Denn waS
ist es im Grunde? Nichts andres als die aus
dcm Muttcrboden naiv-religiöser Volkstüm-
lichkcit in dcn Blumcntopf politischer Ak-
tualität vcrpflanzte Wundergeschichte von
der Bekehrung zweicr hartgcsottener Sündcr
durch cin kindlich gläubiges, vcrtrauensscliges
Gemük. Zwci Bolschewiken in zcrschlifse-
ncm Feldgrau, die wilde Brust vollcr Raub-