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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1926)
DOI Artikel:
Trentini, Albert; Molo, Walter von: Offene Briefe, [3]: Albert Trentini an Walter von Molo [und] Walter von Molo an Albert Trentini
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0364

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XXXix-

Offene Briese

i.

Albert Trenkini an Walker von Molo

Lieber Walter! Wi'en, H. Feber 26

hast mir eine fei'ne Predi'gk gehalten! Jch erzählte dir von den unbedeutendsten
'^^und klei'nsten Weltlichkei'ten, und du erwiöerst darauf mit einer zehn Zentner schweren
von Moloschen Philosophie! O, in welche gefährliche Unternehmung habe ich mich
eingelassen! Wenn ich nun einmal mit der unschuldigsten Harmlosigkeit sagen werde,
daß dle Ei'nsteinsche Theorie von manchen angezweiselt wird, dann wirst du einen
Foli'anten „Elemente der Astro-Physik" aus mich abschießen und am Ende des zweiten
Dickbänders vielleicht gar noch behaupten, ich hätte dich dazu herausgefordert!
Jmmerhin muß ich nun wohl, ob ich will oder ni'cht, ein paar Worte zu Deiner Philo-
sophie sagen. Höre! Jch verehre si'e, als eben die Deine, auss höchste. Es interessiert
mich auch jedes Wort, das Du mir sagtest. Auch verstehe ich si'e alle nnd ihren Zu-
sammenhang. Aber ich fürchte, Du konntest ntcht ahnen, welche hölltsche Wirkung sie
auf mich gehabt haben. Eine geradezu teuflische, Walter! Eine: verderbende! Denn,
sieh, ich bin — und das wnßtest Du — ein nnbedingker Verfechter des freien Willens.
Gewiß, auch ich kann nicht beweisen, daß der Wille des Menschen frei ist. Dies hat,
GottseiSgeklagt, noch niemand beweisen können; genau so wenig wie daS Gegenteil.
Aber . . . ich glanbe an meinen freien Willen. Und ich glanbe daran, daß
Gott — wenn schon, dann gerade den Menschen des sreien Willens erschassen hat.
Der höchste Triumph eines schöpferischen GotteS liegt meinem Glauben nach einzig
darin, nach so und so viel Geschöpfen, die ihm „ausgeliefert" sind, eineS herangebracht
zu haben, welches ihm srei widersprechen, frei ihm zuwiderhandeln, frei ihn absehen,
. . . und also auch frei zu ihm Ja sagen, srei ihm gemäß handeln, und frei ihn
lieben kann. Nur ein Gott, der diese Freiheit eines seiner Geschöpfe zu riskieren den
Mut hatte, sich seiner nnbedingten Despotie und der unbedingten ZwangSgefolgschask
seiner Medien zu begeben wagte, ist mir ein Gott, den ich glauben kann! (Weshalb
ich denn uberzeugt bin, daß es im Kosmos auch Geschöpfe gibt, die viel hundertmal
„sreier" sind, als wir Menschen.)

Nun mag das ja eine sehr altmodische, vielleicht sogar törichte Glaubensanschauung
sein. Jch bilde mir nichts ein aus sie. Jch habe eben keine andere. Und ich habe diese,
und sie bestärkte sich immer überzeugendcr in mir, weil ich herausbrachte: daß ich,
ihr gehorchend, für meine Person MehrundBessereszu leisten vermag,
als wenn ich glauben könnte (und also auch würde), daß mein Wille nnsrei ist. Nun
mag vielleicht auch dicse Entdeckung eine Täuschung sein. Ja, es mag sogar das
menschlichs Gesühl, das dieser Entdeckung zugrunde liegt, das Gesühl, lieber Mchr
und Besseres leisten zu wollen, als Wem'ger und Schlechteres, eine Täuschung sein.
Allein selbst dann bleibe ich beim Glauben an meinem freien Willen! Denn selbst
dann, so zwingt mich jenes Gefühl zu empfinden, werde ich Mehr und Besseres
leisten können in der Täuschung von der Freiheit, als in der Wahrheit von der Un^
freiheit meines Willens. Jenes unausrottbare Gesühl aber, so viel als möglich

Nmrzheft 1926 (XXXIX, 6)

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