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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Lorenz, Felix: Arnold Waldschmidt
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ARNOLD WALDSCHMIDT

/i RNOLD WALDSCHMIDT. VON FELIX
ZA LORENZ.

In der Einsamkeit der bayerischen
Hochebene schafft ein Künstler von völlig
eigener Weltanschauung; abgesondert, mit be-
deutenden Gedanken kämpfend, ohne Rück-
sicht auf das Klein-Alltägliche oder die nahe-
liegenden realistischen Billigkeiten, mit denen
Maler ohne Zahl heute aufwarten. Dieser ein-
sam-starke Arnold Waldschmidt, der nur selten
einmal nach Berlin oder sonst in die Welt
hinauskommt (die Stiere und die grüne Weite
von Wartenberg sind ihm lieber), steht vor
allem außerhalb aller Richtungen und Künstler-
gruppen, was heutzutage schon rar genug ist.
Für einen Vierzigjährigen nun gar! Er ist
ein nur auf sich selbst gestellter Mensch und
Künstler und das läßt sich leicht begreifen für
den, der das bisher von ihm Geleistete über-
sieht. Für Waldschmidt sind die Farben- und
Lichtprobleme, um die soviel gekämpft wurde,
sehr nebensächliche Dinge; ihn reizen auch
nicht die sensationellen Versuche der jüngsten
Antikünstler, psychische „Expressionen" mit
spekulativen, technischen Mätzchen erringen zu
wollen. Waldschmidt hat von Anfang an um
einen wahrhaft monumentalen Stil gerungen,
der das Kleine, Allzu-Menschliche erst im
Motiv, dann auch im Ausdruck nicht an-
nehmen konnte. Monumentalität wird aber
nur wirklich geboren, wenn sie in der tiefsten
Vorstellungswelt und Empfindungssphäre des
Künstlers empfangen wurde. So wich Wald-
schmidt instinktiv den gewohnten Erscheinungs-
dingen des Lebens, den immer wieder ge-
malten, aus und kam von selbst in Gedanken-
reiche, wo Urstimmen zu tönen beginnen und
das ewige Gleichnis verkünden. Er greift auf
die letzten Symbole zurück, die Schicksal und
Menschendasein umkreisen und führt zu Vor-
stellungen, die schon immer in unserem Ge-
schlecht lebten, also zeitlos und ortlos sind.
Was den großen, alten Völkern in ihren Ur-
mythen zwischen Himmel und Erde entgegen
strömte und in den strengen, heiligen Skulp-
turen der Aegypter, der Assyrer, der Griechen
zum Ausdruck kam, das sucht auch in Wald-
schmidts mächtigen Kartons ein neues, brau-
sendes und doch heroisch gebändigtes Leben.
Seine übermenschlichen Gestalten dröhnen
ihre Schicksale zu uns herab und wir fühlen
mit Ergriffenheit, daß sie nur ins Riesenhafte
übertragene Spiegelbilder von uns selbst
sind! Sie sind die Symbole unserer vom
Fatum überschatteten Wanderung, unseres
stürmischen Vorwärtswollens und unserer
schmerzlichen Niederlagen. So ist dieser

„Stierpflüger" wie ein zorniger Kampf mit
der Erde, zu deren mühseliger Eroberung wir
bestellt wurden. Und die Düsterkeit der Tragik,
welche um die niedergebrochenen, in gemein-
samer Schuld zusammenhockenden Gestalten
der „Reue" ihre Eumenidenstimme hebt, ist
erlebte Verzweiflung. Aber neben diesem
stummen Drama reckt sich die gewaltige An-
klage des „Prometheus". Der für das Licht
der Menschheit Geopferte, auf seinen Felsblock
hingeschmettert, scheint das furchtbarste Wort,
das unvertilgbare „Warum?" in die Höhe zu
schreien; der niederhängende Arm, der noch
halb trotzig gestemmte, halb unterlegene Fuß
begleiten die im Niedersturz doch ewigwache
Empörung. Und dieses Schauspiel schneidet
die Goetheworte noch tiefer in uns ein :

Ich dich ehren? Wofür?

Hast du die Schmerzen gelindert

Je des Beladenen?

Hast du die Tränen gestillet

Je des Geängsteten?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?

In einer bedeutenden Komposition, bei der
die Rhythmisierung der Linien auch wieder
aus einer Urempfindung, nicht aus einer müh-
samen Spekulation entstanden scheint (wie die
untere Gruppe mit der liegenden Gestalt zu-
sammenhängt, ohne in der Parallele zu bleiben!)
zeigt der Künstler die Repräsentanten der kleinen
Erdenmenschheit selbst in zwei Figuren: Mann
und Weib zu Füßen des Heros, von der Er-
kenntnis eines vergeblichen Lebens und des
nie aufzuhaltenden Todes tief niedergebeugt.
Sie sehen selbst den edelsten Retter auf dem
Felsblock gedemütigt. Es gibt also keine Wege
nach oben für die Wissenwollenden — und
das ahnungslos spielende Kind vermittelt un-
bewußt das „Fragt nicht!" Hier unten in der
Tiefe der Abhängigkeit ist „Hyperions Schick-
salslied" zu Hause:

Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang ins Ungewisse hinab.

Für diese Welt monumentaler Gesichte,
voll von lebendiger Gedanklichkeit, bringt
Waldschmidt den architektonischen Aufbau
der Form mit. In seiner Linie zeigt sich
aber auch der Ausdruck des Seelischen, den

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