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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Zeitler, Julius: Die königliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe zu Leipzig
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Ziele der Friedhofs- und Grabmalskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0689

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DIE LEIPZIGER AKADEMIE

Staatspavillon der Weltausstellung für Graphik
und Buchgewerbe, dessen ganze linke Hälfte
sie füllt. Man durchschreite diese Säle und
man sieht, was sie leistet und zu welchen
Aufgaben,sie in Zukunft noch berufen ist.

ZIELE DER FRIEDHOFS- UND GRAB-
MALS KU N ST.

Alle unsere künstlerischen Läuterungsbestrebun-
gen nehmen schrittweise den gleichen Weg. Von
den Einzelformen und den Einheiten der Möbel, der
Fassaden usw. ausgehend, haben wir allmählich die
Notwendigkeit des Zusammenwirkens im Gesamt-
bilde und der Rücksichtnahme auf die Umgebung er-
kannt und streben nun nach künstlerischer Anord-
nung und Gliederung der Massen, nach Massen-
beherrschung im Sinne der Stadtbaukunst. Wahl und
Wertung der Einzelformen erscheinen demgegenüber
weit weniger bedeutungsvoll.

In der Friedhofskunst ist die Erkenntnis noch
nicht ganz so weit gelangt. Auch da hat man mit
der künstlerischen Verbesserung der einzelnen Grab-
mäler begonnen. Hervorragende Künstler schufen
hochbedeutsame Einzelwerke; aber diese vermochten
die rohe Unkultur der Masse nicht zu überwinden,
die neben ihnen nur um so erschreckender fühlbar
wurde. Auch auf unseren Friedhöfen herrscht ja
die Masse, und wie im Leben, vermag auch hier
keine Einzelbedeutung mehr gegen sie aufzukommen.
Die Masse der einfachen oder nach dem bisherigen
Standpunkte richtiger: billigeren Grabmäler zeigt
dasselbe Tohuwabohu von Material, Formen und
Anschauungen, wie die überwiegende Zahl der kost-
spieligeren. Was die Lebenden längst begriffen und
wodurch sie sich fast auf allen Gebieten siegreich
durchgesetzt haben, fehlt den Toten: die gemeinsame
Organisation, der imponierende Massenaufmarsch,
bei dem die mangelnde hervorragende Bedeutung
Einzelner durch die Gesamtwirkung vieler kleiner,
an sich unbedeutender Einheiten aufgewogen wird.
Einheitliche künstlerische Organisation und Stim-
mung ist also die Hauptforderung für die großen
Friedhöfe der Neuzeit, weit mehr als die künst-
lerische Entwicklung des einzelnen Grabmales. Auch

bei den besten Vorbildern alter Friedhofskunst be-
ruht ja die unvergleichliche weihevolle Wirkung
und das trostreiche Gefühl friedevollen Geborgen-
seins weit mehr auf dem Rhythmus und der aus
gleichem Empfinden hervorgegangenen Einheitlich-
keit, als auf überwältigendem Kunstwerte einzelner
Grabmäler. Wie tief klafft aber der Spalt zwischen
dem oberflächlichen, zerfahrenen Empfinden der
Gegenwart und der gereiften Kunstanschauung und
selbstverständlich gewordenen Kunstbetätigung
früherer Zeiten! Solange wir dieser nicht näher
kommen und unsere Friedhofs- und Grabmalskunst
nicht wieder im eigentlichen Sinne volkstümlich
wird, d. h. gleichsam selbstverständlich aus dem
Volksempfinden hervorgeht, werden alle Bestrebun-
gen unserer besten Künstler, alle Ausstellungen für
Friedhofskunst und alle wohlmeinenden Vorschriften
der Gemeinde- und Kirchhofsverwaltungen keine all-
gemeine und dauernde Besserung erreichen.

Volkstümlich kann aber auch die gegenwärtig
im Vordergrund stehende Grabmalindustrie, selbst
die wirklich künstlerisch geleitete, nicht werden. Das
Grabmal soll mehr als jedes andere künstlerische
und kunstgewerbliche Erzeugnis vor allem örtlichen
und persönlichen Charakter tragen, und auch die
besten Grabmäler verlieren ihren Stimmungswert,
wenn wir sie in Wiederholungen auf den verschie-
densten Friedhöfen finden.

Jede Gegend hat ihre besondere, auf landschaft-
lichen, klimatischen und Stammesunterschieden der
Bevölkerung beruhende Eigenart und jeder alte
deutsche Volksstamm, jeder Gau seine tiefeingewur-
zelte Empfindung für die Art des Grabschmuckes
und eine Vorliebe für besondere, seit Jahrhunderten
übliche Formen und ein bestimmtes Material. Des-
halb können auch künstlerisch noch so wohlgemeinte
Uebertragungen, etwa vom formen- und farbenfrohen
Franken, Schwaben und Tirol nach dem ernsten, ver-
schlossenen niedersächsischen und friesischen Nor-
den und umgekehrt, nicht im Volke Wurzel schlagen,
weder Einzelformen noch Gesamtanordnungen,
durch deren schablonenhafte Anwendung man jetzt
leider vielfach unsere Friedhöfe in Nord und Süd,
Ost und West künstlerisch zu organisieren vermeint.

Jede Gesamtanlage kann wohl nach allgemein
gültigen künstlerischen Gesichtspunkten geplant,

VORSATZPAPIER. FACHKLASSE DEKORATIVES ENTWERFEN ALICE CLARUS

Lehrer: PROF. STEINER-PRAG

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