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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Wentscher, Arnold: Baukunst und Tagespresse
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0507

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AUKUNST UND TAGESPRESSE.
VON REGIER-BAUMEISTER WENTSCIIER
IN BERLIN-ZEHLENDORF.*)

Man findet keinen Musikkritiker oder Theater-
rezensenten, der sich für befugt hielte, Werke der
bildenden Künste in der Oefientlichkeit zu be-
leuchten. Ebenso wenig einen Kunstkritiker, der
sich mit Kritiken literarischer Veröffentlichungen
oder von Bühnenstücken befaßte. Handelt es sich
aber um Werke der Baukunst, dann ist auf einmal
der Kunstkritiker, der sich für gewöhnlich nur mit
Fragen der bildenden Künste beschäftigt, ohne wei-
teres auch auf diesem Gebiet zuständig. Wenigstens
nach seiner Ansicht und in den Tageszeitungen.
In Fachblättern dürfen allerdings auch Fachmänner
in gebührender Bescheidenheit ihre Ansicht äußern.
Denn da Fachblätter nur von verhältnismäßig Weni-
gen gelesen werden, so ist nicht zu befürchten, daß
sie das maßgebende Urteil der Oeffentlichkeit, das
die Tageszeitungen beherrschen, in Verwirrung
brächten.

*) Diesen beachtenswerten Artikel, der gewiß zu lebhaften
Debatten für und wider Anlaß geben wird, entnehmen wir der
„Deutschen Bauzeitung" mit deren freundlicher Genehmigung.J

Eine solche Behandlung der öffentlichen Mei-
nung in architektonischen und baukünstlerischen
Fragen durch unkundige und ungeeignete Berater
ist nur deshalb möglich, weil das Verständnis für
den Architekten und sein Werk bei uns im allge-
meinen noch wenig entwickelt ist. Und umgekehrt:
weil die Tagespresse, die nun einmal die einzige
Geistesnahrung Unzähliger bildet, sich immer noch
nicht dazu entschließen kann, in Angelegenheiten
der Baukunst die berufenen Kritiker aufzubieten,
wird das richtige Verständnis für das Wesen dieser
Kunst und ihrer Künstler sobald noch nicht zu er-
warten sein.

Vor diesen Tatsachen erscheint die Frage be-
rechtigt, ob denn wirklich der Kunstkritiker, der
über Werke der Malerei und Skulptur ein zutreffen-
des Urteil haben mag. nun auch befugt ist, über
Werke der Baukunst zu Gericht zu sitzen, wenn er
Anspruch erhebt, daß seine Ansicht und seine Ent-
scheidung beachtet werden sollen.

Jede kritische Tätigkeit geht in letzter Linie
darauf aus, zwischen guten und schlechten Leistun-
gen zu unterscheiden. Die Ueberlegungen, Beob-
achtungen und Vergleiche, die der Kritiker macht,

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