ENTWURF ZU EINEM KOL. OPERNHAUS IN BERLIN. Schnitt
PAUL ENQLER, ARCH., B. D. A.-BERLIN
DIE NEUZEITLICHE BAUKUNST
Das Vorhandensein einer modernen
Baukunst, die sich von der Kunstübung
vergangener Zeiten deutlich abhebt, ist aller
Augen sichtbar geworden. Fragt man aber nach
dem Gemeinsamen, das dieses Neue gegenüber
dem Alten eint, so erhält man so viele Ant-
worten, wie man Fragen stellt. Nur in der
Verneinung künstlerischer Tendenzen der vor-
angegangenen Bauepoche scheint die Einigkeit
zu liegen, ein positiver einheitlicher Kunstwille,
eine einheitliche Baugesinnung soll sich aus
der modernen Bewegung noch nicht heraus-
kristallisiert haben.
Die neue Kunst ist zu jung, um ein ab-
schließendes Urteil zu erlauben. Vor der
wissenschaftlichen Einordnung in das System
der ästhetischen Kunstbetrachtung liegt noch
die Arbeit der Sammlung, die Herbeischaffung
eines lückenlosen Materials, das überhaupt erst
die Unterlagen für eine zusammenfassende Be-
trachtung ermöglicht.
Ein erster derartiger Versuch im größeren
Umfange ist im verflossenen Sommer in der
deutsch-nationalen Architekturabteilung auf der
Großen Berliner Kunstausstellung unternommen
worden. Er hatte Lücken und kann nur als
Vorarbeit gelten, aber er gab die Wege an,
ohne die eine Sichtung unmöglich ist.
Weiter aber zeigte er, daß die Zeit zur ab-
schließenden Betrachtung noch nicht gekommen
ist. Das Wollen der Künstler ist noch nicht
abgeklärt, noch immer zu sehr im Gären und
Werden, um das Endresultat schon jetzt voraus
bestimmen zu können.
Jedoch Entwickelungsrichtungen ließen sich
erkennen und Gesichtspunkte ergaben sich, die,
wenn sie auch heute noch zum Teil gesondert,
zum Teil schon geeinigt, neben- und mitein-
ander bestehen, die Hoffnung auf das Werden
einer einheitlichen Kunstgesinnung wach halten.
Solche Gesichtspunkte sollen im folgenden
kurz gegliedert werden.
UnsereSchulästhetik bemüht sich, die Modernen
von der gegebenen Klassifizierung der histori-
schen Stilarten aus zu begreifen. Voraus-
setzung dafür scheint eine allgemein anerkannte
Festsetzung des Begriffes „Stil". Sie gibt es
bisher nicht. Aus der bekannten Konstruktions-
definition lassen sich nur die großen Baustile
der Antike, der Romanik und der Gotik her-
leiten; wir kennen bis zum Überdruß die
Systeme der Säulenordnungen und klassischen
Gebälke, der Rundbogen und der Spitzgewölbe
und Strebepfeiler und ihre Folgerungen für
die Formgebung. Beim Barock und Rokoko
versagt diese Theorie, die dem Zeitgeschmack,
dem Einfluß der Geisteskultur gar keine Rech-
DIE KUNSTWELT III, 4
113
PAUL ENQLER, ARCH., B. D. A.-BERLIN
DIE NEUZEITLICHE BAUKUNST
Das Vorhandensein einer modernen
Baukunst, die sich von der Kunstübung
vergangener Zeiten deutlich abhebt, ist aller
Augen sichtbar geworden. Fragt man aber nach
dem Gemeinsamen, das dieses Neue gegenüber
dem Alten eint, so erhält man so viele Ant-
worten, wie man Fragen stellt. Nur in der
Verneinung künstlerischer Tendenzen der vor-
angegangenen Bauepoche scheint die Einigkeit
zu liegen, ein positiver einheitlicher Kunstwille,
eine einheitliche Baugesinnung soll sich aus
der modernen Bewegung noch nicht heraus-
kristallisiert haben.
Die neue Kunst ist zu jung, um ein ab-
schließendes Urteil zu erlauben. Vor der
wissenschaftlichen Einordnung in das System
der ästhetischen Kunstbetrachtung liegt noch
die Arbeit der Sammlung, die Herbeischaffung
eines lückenlosen Materials, das überhaupt erst
die Unterlagen für eine zusammenfassende Be-
trachtung ermöglicht.
Ein erster derartiger Versuch im größeren
Umfange ist im verflossenen Sommer in der
deutsch-nationalen Architekturabteilung auf der
Großen Berliner Kunstausstellung unternommen
worden. Er hatte Lücken und kann nur als
Vorarbeit gelten, aber er gab die Wege an,
ohne die eine Sichtung unmöglich ist.
Weiter aber zeigte er, daß die Zeit zur ab-
schließenden Betrachtung noch nicht gekommen
ist. Das Wollen der Künstler ist noch nicht
abgeklärt, noch immer zu sehr im Gären und
Werden, um das Endresultat schon jetzt voraus
bestimmen zu können.
Jedoch Entwickelungsrichtungen ließen sich
erkennen und Gesichtspunkte ergaben sich, die,
wenn sie auch heute noch zum Teil gesondert,
zum Teil schon geeinigt, neben- und mitein-
ander bestehen, die Hoffnung auf das Werden
einer einheitlichen Kunstgesinnung wach halten.
Solche Gesichtspunkte sollen im folgenden
kurz gegliedert werden.
UnsereSchulästhetik bemüht sich, die Modernen
von der gegebenen Klassifizierung der histori-
schen Stilarten aus zu begreifen. Voraus-
setzung dafür scheint eine allgemein anerkannte
Festsetzung des Begriffes „Stil". Sie gibt es
bisher nicht. Aus der bekannten Konstruktions-
definition lassen sich nur die großen Baustile
der Antike, der Romanik und der Gotik her-
leiten; wir kennen bis zum Überdruß die
Systeme der Säulenordnungen und klassischen
Gebälke, der Rundbogen und der Spitzgewölbe
und Strebepfeiler und ihre Folgerungen für
die Formgebung. Beim Barock und Rokoko
versagt diese Theorie, die dem Zeitgeschmack,
dem Einfluß der Geisteskultur gar keine Rech-
DIE KUNSTWELT III, 4
113