Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914
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Thoma, Hans: Zur Frage der neuesten Kunstrichtungen
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z
UR FRAGE DER NEUESTEN sind, um den Kampf mit Irrtümern aufzunehmen.
KUNSTRICHTUNGEN VON Man kann so zu der Ansicht gelangen, daß
PROFESSOR HANS THOMAS d}e °bjektlßV fj? wollende Naturnachahmung,
die aus außerhalb des Gesichtssinnes liegenden
Wenn die Schöpfungen der neuesten Kunst- philiströssentimentalen Malwerten zu reiferer und
richtungen der Primitiven, der Futuristen, Ex- größerer Entfaltung gelangen wollte, doch auch
pressionisten usw. den Stempel lebendigen Ta- gar bald eine Grenze fand, an der sie Halt
lentes in sich tragen, wenn sie von dem Ernst machen mußte, an der sie nichtssagend wurde,
hervorgebracht worden sind, der als Kern jeder Es will mir scheinen, als ob der Wille nach
Kunstrichtung sich wohl jedem Kundigen offen- völliger Naturnachahmung so lange begehrte,
baren kann, das Zeugnis ihrer Notwendigkeit bis Physik und Chemie die Photographie er-
ablegend, mehr bedeutend als blos angenommene finden mußte, das wissenschaftliche Spiegelbild
Mode, so können sie wohl jedem Kunstver- der Natur, wogegen unsere Malerei, wenn sie
stehenden einen guten Eindruck machen. auf möglichster Naturnachahmung basiert war,
Um diesen «so turbulent auftretenden pro- doch zu kurz kommen mußte-
blematischen Richtungen- gerecht zu werden, Man besann sich wieder, daß das Wesen der
muß man den Grund aufsuchen, auf dem sie Malerei wie das jeder Kunst doch auf einem
entstehen mußten — und es kommt mir vor, innerlichen Seelenvorgang des Ichs sich gründen
daß, wenn sie Irrtümer sind, Irrtümer notwendig müsse, der über den Zufall äußern Geschehens
dem des optischen Naturausschnittes heraus
•) Diesen besonders bedeutsamen Aufsatz, den uns der Karls- nach Tjrgesetzen des Menschendaseins hinführen
ruher Meister zur Verfügung gestellt hat, bringen wir im Anschluß ... », i j « • jni iivii
an unsere Rundfrage (vgl. Heft i und 2). Die Schriftleitung. konnte. Man kam dahinter, daß absolute Natur-
Abb.6: TEATRO OLYMPICO IN VICENZA
106
Aich.: PALLADIO
UR FRAGE DER NEUESTEN sind, um den Kampf mit Irrtümern aufzunehmen.
KUNSTRICHTUNGEN VON Man kann so zu der Ansicht gelangen, daß
PROFESSOR HANS THOMAS d}e °bjektlßV fj? wollende Naturnachahmung,
die aus außerhalb des Gesichtssinnes liegenden
Wenn die Schöpfungen der neuesten Kunst- philiströssentimentalen Malwerten zu reiferer und
richtungen der Primitiven, der Futuristen, Ex- größerer Entfaltung gelangen wollte, doch auch
pressionisten usw. den Stempel lebendigen Ta- gar bald eine Grenze fand, an der sie Halt
lentes in sich tragen, wenn sie von dem Ernst machen mußte, an der sie nichtssagend wurde,
hervorgebracht worden sind, der als Kern jeder Es will mir scheinen, als ob der Wille nach
Kunstrichtung sich wohl jedem Kundigen offen- völliger Naturnachahmung so lange begehrte,
baren kann, das Zeugnis ihrer Notwendigkeit bis Physik und Chemie die Photographie er-
ablegend, mehr bedeutend als blos angenommene finden mußte, das wissenschaftliche Spiegelbild
Mode, so können sie wohl jedem Kunstver- der Natur, wogegen unsere Malerei, wenn sie
stehenden einen guten Eindruck machen. auf möglichster Naturnachahmung basiert war,
Um diesen «so turbulent auftretenden pro- doch zu kurz kommen mußte-
blematischen Richtungen- gerecht zu werden, Man besann sich wieder, daß das Wesen der
muß man den Grund aufsuchen, auf dem sie Malerei wie das jeder Kunst doch auf einem
entstehen mußten — und es kommt mir vor, innerlichen Seelenvorgang des Ichs sich gründen
daß, wenn sie Irrtümer sind, Irrtümer notwendig müsse, der über den Zufall äußern Geschehens
dem des optischen Naturausschnittes heraus
•) Diesen besonders bedeutsamen Aufsatz, den uns der Karls- nach Tjrgesetzen des Menschendaseins hinführen
ruher Meister zur Verfügung gestellt hat, bringen wir im Anschluß ... », i j « • jni iivii
an unsere Rundfrage (vgl. Heft i und 2). Die Schriftleitung. konnte. Man kam dahinter, daß absolute Natur-
Abb.6: TEATRO OLYMPICO IN VICENZA
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Aich.: PALLADIO