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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Gustinus Ambrosi
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Erbstein, Ambros: Ost und West in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0348

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GUSTINUS AMBROSI. Musik, in der Erscheinung Beethovens, den hohen

tragischen Weltakkord fand.
Unter den Jung-Wiener Plastikern gilt Was der junge Ambrosi anstrebt, geht auf etwas
Gustinus Ambrosi — freilich seit erst Letztmögliches hinaus, und man sieht dabei
kurzei Zeit — als eines der verheißungsvollsten deutlich, daß er auf dem Wege Rodins daher
Talente. Leute, deren Kritik Bedeutung hat, geschritten kommt. Das Letztmögliche in Form
haben diesem eigentümlichen Künstlernaturell und Inhalt zu geben, ist das vornehmste, aber nur
eine große Entwicklung prophezeit. Merkwürdig, ganz Wenigen erreichbare Ziel der Kunst: wir
daß dieser herbe, fast schmerzliche Ausdruck wissen nicht, ob Ambrosis Talent bis dahin führen
eines plastischen Fühlens, wie er durch das wird, denn so bedeutende Ansätze sich überall
Schaffen des jungen Bildhauers geht, auf Wiener bei ihm verraten, so wichtig muß für ihn doch
Boden geboren wird — in dieser Stadt, der die Frage eines vollkommenen Ausreifens sein,
schon Grillparzer ihren leichten capuanischen Das eine steht fest: daß diesen Bildhauer ein
Geist vorgeworfen hat; in dieser Stadt, die für gewaltiger Drang zum Ausdruck der höchsten
eine so nach innen grabende Kunst gar keine seelischen Vorgänge erfüllt und daß eine Art
Traditionen besitzt und die nur einmal in der heiliger Wut, ein wuchtiges Vorwärtsstürmen in

seiner Arbeit deutlich spürbar ist.
Das ist schon viel und verheißt
noch mehr. Er geht kühn über
Maß und Beschränkung hinaus;
darauf deutet schon seine unbän-
dige Schaffenslust, die sich immer
gleich in ganze Cyclen umsetzt.
So arbeitet er an einem Cyclus
^mrr — „Nietzsche", an einem anderen, der

„Menschen" heißt. In seinen
Büsten wie in seinen Figuren regt
sich ein jähes und starkes Leben;
diese Köpfe von Ewald, Zois,
Böcklin, vor Allem der von Franz
Servaes verraten uns den geheimen
Seelengrund ihrer Vorbilder, und
so wäre in der Idee eines plasti-
schen Bildwerkes hier schon eine
schöne Vollendung erreicht, wenn
nicht das Formale manchmal noch
etwas zu deutlich von dem großen
französischen Vorbild abhängig wäre
oder (absichtlich oder nicht) im
Skizzenhaften stecken bliebe. Doch
beweisen stark durchfühlte Werke
wie der Kain oder „Sterbende
Seele" eine so reiche menschlich-
künstlerische Intuition, daß Gustinus
Ambrosi uns ohne Zweifel noch
etwas bedeuten wird, was weit über
den Tag hinausreicht. F. L.

O

ST UND WEST IN
DER KUNST.

Im Mittelalter war das ge-
samte Leben und Treiben von
einem kühnen rastlosen Tatendrange
beherrscht, zu dem sich aber selt-
------ samerweise ein mystischer, ruhiger

DIE BETTLERIN (Aus dem Zyclus „Menschen"). GUSTINUS AMBROSI-W1EN Geist der Betrachtung gesellte.

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