DEUTSCHE KUNST ÜBER ALLES
Winnen und Mut, neue Geistesverbindungen im In- ebenso gute Wirkung haben würde, jene Schaifens-
land selbst einzugehen. Mir scheint, daß in erster wärme zu erhöhen, weiche den eigentlichen Reiz der
Linie ein stärkeres Zusammenwirken Kunst bewirkt. Längst wird zwar viel, was
der v o r t r e H 1 i c h s t e n Maler, Bild- München schafft, in Berlin gezeigt und umgekehrt,
hauet, Zeichner, K u n s t g e w e r b 1 e r aber es verkrümelt sich in der anderen Stadt, es
Berlins und Münchens möglich sein müßte. kommt nicht geschlossen zur Geltung und darum
Wenn man große Ausstellungsräume in Berlin mit wirkt es sich nicht recht aus. Es erscheint immer
Lebenswärme erfüllen will, sollte man sie nicht nur ein wenig unterdrückt, statt in seiner Eigenart un-
von Berlin selbst, sondern zugleich von den anderen vermischt und in vollem Glänze aufzutreten. Solche
großen deutschen Kunststädten nehmen und sie mit Gedanken haben aber nur einen Sinn, wenn man an
größter Intensität zur Geltung bringen. Eine Aus- die Devise glaubt: „Deutsche Kunst über alles."
Stellung: „München in Berlin", worin die Münchner y—» _
als das auftreten können, was sie sind, würde ein /—\ nunnTo^cM -zt m i/uiict ^^^-^
* c ■ . ' .„ , a / \ PHORISMEN ZUR KUNST.
guter Anfang sein, obgleich ich nicht zweifle, daß / ^
eine Ausstellung: „Berlin in München" eine genau Es §'lbi wirklich noch geistreiche
Menschen. Nicht etwa geistreichelnde, die
ihren Witz in heiterer Gesellschaft ver-
sprühen, vielmehr solche, die Geist genug
besitzen, um ihn, in „Reinkultur" gewisser-
maßen, gedruckt der kritischen Mitwelt
vorlegen zu können. Ein solcher über-
legener geistreicher Mensch ist Otto
We i B, und die Form, in der er uns seine
witzigen, boshaften, ironischen und er-
kenntnisreichen Einfälle und Beobachtun-
gen darbietet, ist der Aphorismus. Weiß,
ein geborener Deutsch-Ungar, von Haus
aus Musiker, dann Schriftsteller, hat ein
besonderes Talent für die knappe,
schlagende Form des Aphorismus. Er
hat drei Folgen von Aphorismen, die
dritte im Februar 1913, durch die Deutsche
Verlagsanstalt herausgegeben. Wir haben
uns die Freiheit genommen, einiges daraus
abzudrucken, was uns geeignet erschien,
— wobei wir es nicht verschmähten, uns
selbst den Spiegel vorzuhalten — und
diesen oft allgemein ausgesprochenen Ge-
danken einen besonderen Sinn zu unter-
legen, dessen Enträtselung wir unseren
Lesern überlassen müssen. Die Wei fi-
schen Aphorismen, betitelt: „So seid
Ihr!", empfehlen wir dringend:
Ich frage: Wenn man nichts Besseres
an Stelle des Schlechten setzen kann, ist
dieses darum gut?
Wer bestrebt ist, sich von seinen Be-
rufsgenossen wesentlich zu unterscheiden
— der mache sich auf allerlei gefaßt!
„Lieber untergehen als sich unter-
werfen!" ruft dieser und jener aus —
ehe er sich unterwirft.
Wer die Achtung vor sich selbst ver-
lor, mag sich trösten: er findet sie bald
wieder!
X, ist ein blutjunger Rezensent: Was
ihm vorläufig an Geschmack, Erfahrung
und tieferer Bildung fehlt, das sucht er
bronzebüste des geheimrats ladenburg im chemischen ,
Institut zu Breslau. th. v. gosen-breslau, durch Sicherndt des Lrteils zu ersetzen.
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Winnen und Mut, neue Geistesverbindungen im In- ebenso gute Wirkung haben würde, jene Schaifens-
land selbst einzugehen. Mir scheint, daß in erster wärme zu erhöhen, weiche den eigentlichen Reiz der
Linie ein stärkeres Zusammenwirken Kunst bewirkt. Längst wird zwar viel, was
der v o r t r e H 1 i c h s t e n Maler, Bild- München schafft, in Berlin gezeigt und umgekehrt,
hauet, Zeichner, K u n s t g e w e r b 1 e r aber es verkrümelt sich in der anderen Stadt, es
Berlins und Münchens möglich sein müßte. kommt nicht geschlossen zur Geltung und darum
Wenn man große Ausstellungsräume in Berlin mit wirkt es sich nicht recht aus. Es erscheint immer
Lebenswärme erfüllen will, sollte man sie nicht nur ein wenig unterdrückt, statt in seiner Eigenart un-
von Berlin selbst, sondern zugleich von den anderen vermischt und in vollem Glänze aufzutreten. Solche
großen deutschen Kunststädten nehmen und sie mit Gedanken haben aber nur einen Sinn, wenn man an
größter Intensität zur Geltung bringen. Eine Aus- die Devise glaubt: „Deutsche Kunst über alles."
Stellung: „München in Berlin", worin die Münchner y—» _
als das auftreten können, was sie sind, würde ein /—\ nunnTo^cM -zt m i/uiict ^^^-^
* c ■ . ' .„ , a / \ PHORISMEN ZUR KUNST.
guter Anfang sein, obgleich ich nicht zweifle, daß / ^
eine Ausstellung: „Berlin in München" eine genau Es §'lbi wirklich noch geistreiche
Menschen. Nicht etwa geistreichelnde, die
ihren Witz in heiterer Gesellschaft ver-
sprühen, vielmehr solche, die Geist genug
besitzen, um ihn, in „Reinkultur" gewisser-
maßen, gedruckt der kritischen Mitwelt
vorlegen zu können. Ein solcher über-
legener geistreicher Mensch ist Otto
We i B, und die Form, in der er uns seine
witzigen, boshaften, ironischen und er-
kenntnisreichen Einfälle und Beobachtun-
gen darbietet, ist der Aphorismus. Weiß,
ein geborener Deutsch-Ungar, von Haus
aus Musiker, dann Schriftsteller, hat ein
besonderes Talent für die knappe,
schlagende Form des Aphorismus. Er
hat drei Folgen von Aphorismen, die
dritte im Februar 1913, durch die Deutsche
Verlagsanstalt herausgegeben. Wir haben
uns die Freiheit genommen, einiges daraus
abzudrucken, was uns geeignet erschien,
— wobei wir es nicht verschmähten, uns
selbst den Spiegel vorzuhalten — und
diesen oft allgemein ausgesprochenen Ge-
danken einen besonderen Sinn zu unter-
legen, dessen Enträtselung wir unseren
Lesern überlassen müssen. Die Wei fi-
schen Aphorismen, betitelt: „So seid
Ihr!", empfehlen wir dringend:
Ich frage: Wenn man nichts Besseres
an Stelle des Schlechten setzen kann, ist
dieses darum gut?
Wer bestrebt ist, sich von seinen Be-
rufsgenossen wesentlich zu unterscheiden
— der mache sich auf allerlei gefaßt!
„Lieber untergehen als sich unter-
werfen!" ruft dieser und jener aus —
ehe er sich unterwirft.
Wer die Achtung vor sich selbst ver-
lor, mag sich trösten: er findet sie bald
wieder!
X, ist ein blutjunger Rezensent: Was
ihm vorläufig an Geschmack, Erfahrung
und tieferer Bildung fehlt, das sucht er
bronzebüste des geheimrats ladenburg im chemischen ,
Institut zu Breslau. th. v. gosen-breslau, durch Sicherndt des Lrteils zu ersetzen.
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