Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Amtsbezirk Weinheim [Hrsg.]
Der Bergsträßer Bote: Amts- u. Verkündigungsbl. für d. Bezirksamt Weinheim (5): Der Bergsträßer Bote: Amts- u. Verkündigungsbl. für d. Bezirksamt Weinheim — 1853

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.42484#0217

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Piertelicibriger Abonnements«
preis 30 kr. ohnePostaufschlng.

ElnrücknngSgebühr für die
Spaltzeile 3 kr.

D e r

Vergsträßer Bote.
Amts- und Verkündigungsblatt für das Bezirksamt Weinheim.
Fünfter Jahrgang.

T-A. Weinheim, den 17. Juli L83>3.

Die Dinge im Orient.
(Karlsruher Zeitung.)
Berlin, 11. Juli. Die Besetzung der Do-
naufürstenlhiimer durch die Rllssen ist eine vollen-
dete Thatsache. Die Mehrer des öffentlichen Rechts
mögen die betreffenden Traktate interpretiren und
das Für und Gegen über die Berechtigung Ruß-
lands a.useinandersetzen; wir wollen hier von dem
Recht oder Unrecht absehen und uns an die nackte,
die politische und militärische Thatsache halten.
Rußland will feinen Krieg, weder einen Er-
oberung?-, noch einen Erekutionskrieg; darüber
läßt, von seinen wiederholten und feierlichen Ver-
sicherungen abgesehen, die geringe Truppcnzahl,
welche es in Bewegung gefetzt, keinen Zweifel.
Es will den vollen Ernst seiner Forderungen zei-
gen, überzeugt, daß die Pforte, sobald sie diesen
Ernst sieht, demselben gerecht werben, und daß
keine europäische Macht ihr etwas Anderes, als
diesenige „moralischem Unterstützung angedeihen
lassen wird, die nie einen Erfolg hat, wo der
andere Theil von vornherein seinen festen Ent-
schluß gefaßt.
Die Türkei selbst ist ohnmächtig. Was einst
ihre Heere furchtbar machte, der religiöse Fana-
tismus, eristirt nicht mehr; sie hat der überlege-
nen Kriegskunst jetzt nichts als tobte Masten .cnt-
gegenzusetzen, und diese Massen sind nur auf dem
Papier vorhanden und müssen erst zusammengetrie-
ben werden. Bevor ein irgend nennenswertheö
Heer beisammen wäre, würde das griechische Kreuz
auf den Tempeln von Slambul aufgcpflanzt sein
können. Wie gering man von der russischen See-
macht auch denken möge, man wird sie der tür-
kischen gegenüber wenigstens als ebenbürtig gelten
kaffen.
Aber England, aber Frankreichs Aber die

englische, aber die französische Flotte? Werden
sie uuthätig den Ereignissen zuschauen? Oder wer-
den ihre Kanonen gerichtet werden zum Schutze
des sinkenden Halbmonds?
Wenn einst, früher oder später, das morsche
Reich zusammenbricht, welches ein kühner Krieger
auf den Trümmern einer christlichen Welt mit
Blut sich aufgebaut, wird Rußland der ?öwenan-
theil der Beute Zufällen; denn Rußland allein,
nicht England und nicht Frankreich, ist im Stande,
zu behaupten, was es hier gewonnen. Nicht heute
und nicht morgen wird das sein; aber die Geschichte
rechnet nicht nach kurzen Jahren, und kommen
wird jener Augenblick. Rußland wird nichts über-
eilen. Es wird die unreife Frucht nicht schütteln,
die ihm bald reif in den Schooß fallen muß. Es
wird sich nicht blutige Bahn brechen zu einem
Ziel, das es mühelos zu erreichen vermag. Ein
großes Volk kann warten, und Rußland wird
warten.
Vielleicht, gewiß sogar, wird, wenn die rus-
sischen Schiffe ins Schwarze Meer hinaussteuern,
die vereinigte Flotte von England und Frankreich
vor dem Hafen von Konstantinopel Anker werfen.
Sie wird eben dort ihren Ankerplatz haben. Ruß-
land wird «nicht daran denken, Konstantinopel zu
nehmen, eine von mächtigen Bundesgenossen be-
schützte Stadt zu erobern, die es vor wenig Jah-
ren durch einen Handstreich hätte gewinnen können.
Man treibt an der Neva sehr reelle Politik; das
fahrende Ritterthum hat dort nie in Blüthe ge-
standen.
Dennoch, auch das darf man sich nicht ver-
hehlen, liegen die ernstesten Ereignisse nicht außer
dem Bereich der Möglichkeit: wir haben seit Na-
varin mehr als ein unerwartetes Ercigniß gesehen.
Ein einziger Kanonenschuß im Bospurus ist wahr-
scheinlich der allgemeine Krieg, und dann werden
 
Annotationen