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Amtsbezirk Weinheim [Hrsg.]
Der Bergsträßer Bote: Amts- u. Verkündigungsbl. für d. Bezirksamt Weinheim (5): Der Bergsträßer Bote: Amts- u. Verkündigungsbl. für d. Bezirksamt Weinheim — 1853

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https://doi.org/10.11588/diglit.42484#0229

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D e r
Bergstraße? Bote.
Amts- und Verkündigungsblatt für das Bezirksamt Weinheim.
Fünfter Jahrgang.

H". L?. Weinheim, den 27. Juli L8L3.

Ueber die militärische Macht
der Türkei
bringt die <>Times" folgende Schilderung von ihrem
Korrespondenten in Konstantinopel: Die türkische
Armee, wie sie setzt organisirt und cquipirt ist,
bat sich noch nie mit einer europäischen Streitmacht
gemessen. Im letzten russischen Krieg bestand der
Nizarn (die reguläre Armee) aus schlecht gedrillten
Rekruten, und der größere Theil Les Heeres aus
irregulären, in Eile ausgchobcnen Truppen. Gegen-
wärtig besteht die reguläre Streitmacht, welche
die Türkei in's Feld stellen kann, aus 7 Ordons
oder Lagern, deren jedes 35,000 Mann zählt und
einen Rückhalt an einer Nedif oder Reserve hat,
aus Leuten bestehend, die nach ssjährigem regulären
Dienst verpflichtet sind, bei außerordentlichen Ge-
legenheiten noch 7 Jahre sich dienstbereit zu halten.
Die Stärke dieser Nedifs variirt natürlich je nach
der Länge der Zeit, daß das Lager eristirt. Der
türkische Soldat ist wohlgenährt; er hat zwei Mahl-
zeiten täglich, und sein Mittagessen besteht aus
zwei Fleischgerichten, zu denen zweimal die Woche
süßes Backwerk kommt. Er ist auch gut gekleidet,
und große Sorge wird für seine Bequemlichkeit
getragen; keinesfalls stört man seinen Comfort
durch zu viel Ercrzircn, wie sein ungelenkes und
bäurisches Wesen zeigt, welches er nie ablegt,
und worin er sich nicht sonderlich von den Offi-
zieren unterscheidet. Jeder Ausländer in türkischer
Uniform sieht schmucker aus und hält sich gerader
als der Türke. Außer der regulären Armee aber
hat die Türkei eine ungeheure und sehr mannich-
faltige irreguläre Streitmacht, die sich in einem
Feldzug sehr nützlich erweisen dürste.
In der europäischen Türkei sind die Bosnier
ein kriegerischer Stamm, und unter ihrem Feudal-
system, welches Omer Pascha gebrochen, aber nicht
vernichtet hat, eine Masse streitbarer Männer,

sowohl zu Fuß, wie zu Pferd. Ihre Pferde sind
kleine, untersetzte, aber rüstige Thiere, die sich für
ihr Bergland trefflich eignen; die Reiter führen
die lange, mit Perlmutter und seidenen Quasten
aufgeputzte Flinte, einen Jatagan und Pistolen.
Das Fußvolk ist in derselben Weise bewaffnet.
Dieser slavonische Volksstamm, ein robuster, hoch-
gebauter Menschenschlag voll Kriegslust, rückte im
letzten Krieg mit Rußland gegen den Balkan;
aber Fürst Milosch von Serbien ließ sie, im Inte-
resse Rußlands, nicht durch Serbien marschiren
und stellte feine Armee gegen sie auf. Die Bosnier
sind die fanatischsten unter den Muselmännern und
unterscheiden sich von ihren christlichen Landsleuten
durch den Tnrban, denn sonst gleicht ihre Tracht
der aller Slaven Kleinasiens (?) Die Montene-
griner zählen nur als eines der vielen Belästigungs-
mittel in der Hand des Zaaren gegen die Türkei.
Die Albanesen, südlich von Montenegro, ein Fusta-
nell tragendes (kiltecl) Volk, das den altschottischen
Hochländern selbst in der Tracht gleicht, sind lauter
Fußsoldaten und so kühn, wild und schmutzig, wie
irgend ein Berg-Kriegervolk der Welt. Sie sind
treffliche Büchsenschützen, und bekennen sich, je
nach ihrem Vortheil, bald zum Islam, bald zum
Christenthum. In jedem entfernten Winkel des
Reichs sieht man sie in Garnison liegen, und
überall sind sie der Schrecken der Bauern. Der
Großvezier selbst ist ein Albanese; in der That
haben sie viele merkwürdige Männer geliefert. Die
Bulgaren sind, wie die Griechen, meist Christen;
zur Vertheidigung des Reichs wäre daher nicht
auf sie zu rechnen. Die Serben haben das Recht,
eine Miliz zu halten, sie wird aber nie einberufen.
Die Wallachen und Moldauer haben eine Streit-
macht, aber sie ist von der jämmerlichsten Art,
und zu Nichts gut, als einem Pöbelhaufen Schreck
einzujagen.
 
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