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Amtsbezirk Weinheim [Editor]
Der Bergsträßer Bote: Amts- u. Verkündigungsbl. für d. Bezirksamt Weinheim (5): Der Bergsträßer Bote: Amts- u. Verkündigungsbl. für d. Bezirksamt Weinheim — 1853

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https://doi.org/10.11588/diglit.42484#0245

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Amts- und


igungsblatt für das Bezirksamt Weinheim.

Fünfter Jahrgang.


Die türkische Armee.
(Karlsruher Zeitung.)
Ein stilles Lächeln muß denjenigen überfliegen,
der von Len umfassenden Rüstungen der Pforte
liest. Von der europäischen Ordnung hat das
türkische Militär eben nur die Eintheilung. Das
Bataillon Nisam's besteht aus 8 Kompagnien,
wird von einem Bimbaschi (Major) befehligt,
dem zwei Majoradjutanten, Kolasi, zur Seite
stehen; jede Kompagnie hat einen Jusbascha, (Haupt-
mann) zum Führer, dem die nöthige Anzahl von
Mulasim's (Leutnant), mit Feldwebeln, Korporalen,
Gefreiten/ Tschaus-Ombascha's zur Seite stehen.
Auch die übrigen Branchen sind auf europäische
Manier eingerichtet. Jedes Bataillon hat seinen
Doktor der Medizin, Chirurgen und Apotheker,
den Feldgeistlichen: ,/Jmam" und selbst einen Nech-
nungsführcr Tabor Chiatib. Sieht man diese
Truppen in ihren europäischen Waffenröcken bataillons -
weise Handgriffe ausführen, so geschieht es nicht
ohne Präzision; allein in ganzen Massen taugt
der türkische Soldat nicht viel. Geht man ins
Detail der Militärverpflegung ein, so nimmt mau
überall die größten Gebrechen wahr. Man sieht,
daß den europäischen Institutionen eben nur die
Form abgelauscht wurde; die Leitung ist so lau
und veraltet, wie man sich's nur denken kann.
Ein Freund theilte mir einen Fall mit, der
sehr bezeichnend ist, besonders was das Kriegs-
Sanitätswesen betrifft. In einem türkischen Mili-
tärspital sollte einem Soldaten der Fuß wegen
eines Brandes amputirt werden; fremde Aerzte,
die konsultirt wurden, sprachen sich für schleunige
Abnahme desselben aus. Schon sollte die Ope-
ration vor sich gehen, als der Dimbascha und
Feldgeistliche des Bataillons dagegen protestirten,
und in einem eigens berufenen Konzilium beschloß

man, der Kommandant des Bataillons müsse die
Bewilligung zur Amputation erst — vom Korps-
kommando ciuholen! Bei der weiten Entfernung
desselben verstrich eine Frist von 18 bis 20 Tagen.
Das Weitere läßt sich denken. Außer der Rein-
lichkeit ist an den Spitälern und überhaupt an den
Militärärzten nicht das Mindeste lobenswerth.
Nicht besser ist's mit der Verpflegung der
Truppen beschaffen. Die Bekleidung besteht aus
dem weder vor der Sonne, noch dem Hieb schüz-
zcnden Fes, Mantel, Waffenrock, Kamisol, tuche-
nen und leinenen Pantalons, Nnterleibchen, Wäsche
und Schuhen. Der Mantel von grobem aber
festem Tuch ist für die Infanterie viel zu schwer
und unbequem, und reicht, wie bei den Russen,
bis zur Ferse hinab. Der Schuh wird bald, einem
Pantoffel gleich, abgetreten, und oft erblickte ich
in türkischen Festungen die Soldaten barfuß in
der Sonne, die Schuhe neben sich auf der Erde.
Non der europäischen Pünktlichkeit und der so
lobenswerthen Reinlichkeit auch nicht eine Spur.
Selbst der Offizier erscheint ost in dem vernach-
lässigtsten Anzug, das Niemzeug und die Kuppel
schäbig, die Uniform von der Sonne ausgezogen,
die Säbelquaste schlotternd, nirgends die sonst so
wohlthuendc Egalifirung.
Die Steinschloßgewehre mit gewöhnlichem Da-
jonnet sind leichte Arbeit aus Frankreich oder
Belgien. Nie werden Reparaturen an den Mus-
keten gleich besorgt; denn bei den Kompagnien
gibt cs keine Büchsenmacher. Die schadhaften Ge-
wehre werden bataillonswcise gesammelt, und ge-
wöhnlich zum Korpskommandanten geschickt, wo
die Ausbesserung erfolgt. Die Bajonnete sind so
lose angesügt, daß sie schon bei Exerzitien vom
Gewehre fallen. Von den modernen Feuerwaffen
hat man hier keinen Begriff. Der Soldat trägt
ferner eine zu große Patrontasche, einen schwarz-
 
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