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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0083

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Der Praetor L. Cornelius. 71

einen der beiden Genannten hinführen, so gewinnt dessen Anwartschaft
doch einige Bedeutung. Mommsen hatte im Corpus inscriptionum die
Inschrift in die Mitte des 7. Jahrhunderts d. St. gesetzt, trat aber nach-
träglich ' der abweichenden Meinung Ritschis2 bei, wonach sie ans
Ende des 6. gehöre, also in der That in die Zeit des Consuls
Lentulus Lupus (598 d. St. = 156 v. Chr.). Damit fällt die Hypo-
these Viscontis, welcher den Inhalt der Tafel, ohne gleichwohl an
Scipio Hispallus zu denken, aus den Geschehnissen des marsischen
Krieges (91 — 88 v. Chr.) zu erklären suchte, in welchem die Treue
der Tiburtiner verdächtig geworden sei.

Uebrigens ist die Zusammengehörigkeit von Büste und Inschrift
nichts weniger als ausgemacht. Sie beruht bloss darauf, dass beide
nahe beieinander gefunden wurden, nämlich in einem Gemach des
angeblichen alten Municipalpalastes von Tibur. Dort war der Kopf
mit einem metallenen Haken in die Mauer eingelassen, und etwas
zur Seite lag die Bronzetafel mit der Inschrift. Letztere kam dann
in den Palast Barberini, während der Kopf auf eine moderne Büste
von gefärbtem Stuck gesetzt und im Conservatorenpalast aufgestellt
wurde, wo er sich im J. 1837 noch befand3. Wie und wann er nach
Holkham kam, ist mir unbekannt4. Die Inschrift ist gegenwärtig
verschollen. — Die Abbildung der Büste zeigt das Bildnis eines
Mannes in mittleren Jahren, mit schlichtem noch vollem Haar, dessen
Enden sich etwas krümmen, mit gebogener Nase, Doppelkinn und
fettem Hals, von nüchternem gutmütigem Ausdruck.

Im Museum von Neapel wird eine farnesische Büste (abg. Mus.
borb. XIV. Taf. 12. 1) als L. Cornelius Lentulus, d. h. doch wohl
als Wiederholung des vorliegenden Bildnisses bezeichnet5. Gewiss mit
Unrecht, schon weil sie gar keine Tendenz zur Fettigkeit zeigt. Aber
die Sache ist auch aus äusseren Gründen unwahrscheinlich. Es han-
delt sich ja bei dem betreifenden Cornelier nicht um einen berühm-
ten Mann, von dem man annehmen könnte, dass er auch sonst noch
dargestellt worden. Wenn man durch die Evidenz gezwungen würde,
das Vorhandensein von Wiederholungen anzuerkennen, so läge darin
vielmehr ein Fingerzeig, dass nicht Lentulus, sondern eine bedeuten-

1 S. Ephem. epigraph. I. p. 289.

2 Ritschi im Rhein. Mus. N. F. IX. 1 0.

3 Beschr. d. St. Rom III. 1. p. 124.

* Vielleicht giebt das demnächst erscheinende Buch von Michaelis, Ancient
marbles in Great Britain, Aufschluss darüber.

5 Gerhard (Neap. ant. Bildw. zu Nr. 412) spricht irrtümlich von einem
P. Cornelius Lentulus. — Was für einen angeblichen L. Com. Lentulus (mit langen
Haaren) er bei Kr. 348 meint, ist mir nicht klar.
 
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