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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0086

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74 Cornelia, die Mutter der Gracchen.

römischen Volkes ein öffentliches Standbild arbeitete, dazu einfach
ein griechisches Original copierte.

Ziemlich willkürlich, d. h. ohne Zweifel auch bloss der sitzenden
Stellung wegen, wird die sog. liseuse auf einem geschnittenen Stein
des Cabinets Orleans in Petersburg (abg. Descr. du cab. Orleans
II. p. 18, vgl. p. 41), eine weibliche Figur, welche sinnend in ein mit
der Linken gehaltenes Diptychon blickt, als Cornelia bezeichnet.

Ti. und C. Gracchus.

Tiberius und Cajus Gracchus waren die Söhne der Cornelia, der
Tochter des älteren Scipio. Tiberius (f 133 v. Chr.) wurde kaum
30, der um 9 Jahre jüngere Cajus (f 121) kaum 33 Jahre alt.

Ueber ihr Aeusseres sagt Plutarch1: «Was ihre Miene, ihren
Blick, ihre Bewegungen betrifft, so war Tiberius sanft und gesetzt,
Cajus hingegen rauh und heftig, so dass jener bei öffentlichen Reden
ruhig auf einer Stelle stehen blieb, dieser von allen Römern zuerst
auf der Bühne hin und her gieng, und während der Rede mit der
Toga gesticulierte, dem Kleon ähnlich, der unter den Volksrednern
zu Athen der erste gewesen sein soll, welcher den Mantel zurückzu-
werfen und an seine Schenkel zu schlagen pflegte.» Auch in Bezug
auf den Charakter war <der eine massvoll und sanft, der andere heftig
und jähzornig» 2. Doch ist dies, genau genommen, nur in der gegensätz-
lichen Fassung richtig; denn bei dem zunehmenden Widerstand des
Senats hielt bekanntlich die Sanftmut und Besonnenheit des Tiberius
die Probe nicht aus. — Ueber ihre Gestalt erfahren wir nichts, man
müsste denn aus der angeblichen Hässlichkeit ihrer Schwester, welche
mit Scipio Aemilianus vermählt war s, einen Rückschluss auf die Brüder
machen wollen. Auch ob sie einen Bart trugen, ist unsicher, da dies
zwar damals schon nicht mehr Sitte war, und ihr Schwager Scipio
sich täglich rasierte 4, bei jüngeren Männern aber häufig Ausnahmen
stattfanden.

Nach dem Tode der Gracchen zeigte das Volk deutlich, mit
welcher Liebe und Sehnsucht es an ihnen hieng. Es weihte ihnen

1 Plut. Ti. Gracchus 2.

2 Plut. a. a. 0.

9 Appian B. c. I. 20.
« Plinius VIJ. 59.
 
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