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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0145

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Cicero.

133

Staatsmann treffende Verdict auch auf seine geistige und litterarische
Bedeutung auszudehnen. Ein Mann, auf dessen Schultern sich die
Cultur des Humanismus aufgebaut hat, kann unmöglich von Hause
aus ganz unbedeutend gewesen sein. Man braucht nicht zu der
überschwänglichen Bewunderung früherer Jahrhunderte zurückzu-
kehren; aber man wird anerkennen müssen, dass Cicero bei all
seinen Schwächen eine reich begabte Natur, ein Meister der Rede-
kunst und ein weit über das Niveau des Gewöhnlichen hinausragen-
der Schriftsteller war. Ein Reflex seiner geistigen Regsamkeit, seines
oratorischen Talents, seines zugleich schlagfertigen und anmutigen
Witzes, muss doch wohl auch sein Antlitz belebt haben.

Die spärlichen Notizen über seine äussere Gestalt, wie sie
schon Middleton und Drumann 1 zusammengestellt haben, sind folgende:
Cicero war in seiner Jugend schlank und mager und hatte einen
langen dünnen Hals, so dass man ihn für schwindsüchtig hielt2.
Dies änderte sich, als er ins Mannesalter eintrats, wie er selber mit
Bezug auf seine Reise nach Griechenland (a. 79) bemerkt: Lateribus
vires et corpori mediocris habittis (die richtige Fülle) accesserat4. Sein
Gesicht war geistreich und leicht erregbar; sein Hang zu Scherz und
Spott äusserte sich durch eine stets heitere lächelnde Miene5, ob-
gleich die Sorgen und die Enttäuschungen seines späteren Lebens
gewiss auch seinem Gesicht ein ernsteres Gepräge gaben; — Abge-
sehen von zeitweiligen Magenbeschwerden erfreute er sich einer guten
Gesundheit. Wenigstens wusste er sich durch Diät und regelmässige
Lebensweise nicht nur frei von Krankheiten, sondern auch bei hin-
länglichen Kräften für seine Kämpfe und Arbeiten zu erhalten6. Seine
Massigkeit verbürgt uns zugleich, was in der damaligen Zeit nicht so
ganz selbstverständlich, dass wir keine Schlemmerphysiognomie bei ihm
voraussetzen dürfen. Er hatte vielmehr bis in sein Alter ein schönes
und würdiges Aussehen7. Was Dio (46. 18) den Calenus gegen
Cicero sagen lässt, den salbenduftenden gekräuselten Graukopf, der
die Toga bis auf die Knöchel fallen lasse, um seine Krampfadern
zu verdecken8, ist wie die ganze Rede teils apokryph, teils stark

1 Middleton Life of Cic. III p. 294 f. Drumann G. R. VI. p. 411 ff.

2 Cic. Brut. 91; Plut. Cic. 3.

3 Plut, Cic. 4.

4 Cic. Brut. a. a. 0.

5 T6 de TiQoaionov avrov fiuäiafj.« xai yaX^ftjv xateixt. Plut. im Vgl. des
Cic. mit Demosthenes.

6 Plut. Cic. 8.

7 Facies decora ad senectutem. As. Pollio bei Senec. suas. VII.

8 Vgl. Quinet. XI. 3. 143.
 
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