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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0261

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Vergil. 249

Marmorstatue, in welcher die Bürger ihren berühmten Landsmann
verehrten. Dieselbe wurde im Jahre 1392 durch Carlo Malatesta,
den Herrn von Eimini, unter dem Vorwand, dass Statuen sich nur
für Heilige ziemten, von ihrem Postament gestürzt und in den Po
oder Mincio geworfen K Etwa zwei Jahrhunderte später erwarb
Vespasiano Gonzaga (1531—91) einen Marmorkopf, den er, gestützt
auf die ursinische Gemme und auf den Fundort (Gebiet von Mantua)
für ein Bildnis des Vergil ausgab und demgemäss restaurierte (mit
vergoldetem Lorbeerkranz). Derselbe wurde mit den übrigen Kost-
barkeiten . Vespasiano's in seinem Schloss zu Sabbionetta aufgestellt,
und blieb, wie es scheint, ziemlich unbeachtet, bis der Abate Carli
im Jahre 1775 ihn nach Mantua versetzte, und dann zugleich den
Nachweis zu führen suchte, dass es sich um einen Bestandteil eben
jener in den Fluss gestürzten Statue handle 2. Diese Zugehörigkeit
ist nun aber nicht nur nicht verbürgt, sondern im Gegenteil höchst
unwahrscheinlich und in keinem Fall ein Beweis für die Echtheit des
Bildnisses. Zwar kann die jetzige Büste möglicherweise aus einem
Statuenfragment zurecht gemacht sein; denn vom Hals an abwärts
ist Alles ergänzt. Aber es liegt nicht das Mindeste vor, woraus wir
schliessen dürften, dass sie grade mit der von Malatesta zerstörten
Statue etwas zu thun habe. Hätte diese einen langgelockten Jüng-
ling dargestellt, so würde sich ohne Zweifel ein Reflex davon in den
Vergilsköpfen zeigen, welche die Mantuaner im 15. und 16. Jahrhun-
dert auf ihre Münzen prägten. Dieselben tragen aber meist ganz
kurzes Haar, bald mit, bald ohne Lorbeerkranz.

Uebrigens sind die in dem Büstentypus selbst liegenden Gründe
vollkommen genügend, die Unrichtigkeit der Benennung darzuthun.
Die jugendlich idealen Züge, die langen, von einem schmalen Reif
umwundenen Locken deuten auf alles Andere eher als auf ein römisches
Porträt. Die einzige Analogie in letzterer Beziehung wäre das selt-
same Contorniatbild des Apulejus (Münztaf. V. Nr. 117), mit dem
schon wegen seines exceptionellen Charakters nicht argumentiert

1 Da ich nicht aus den Originalquellen schöpfen kann, so halte ich mich
an Labus (Museo di Mantova I. p. 4 ff.), der sich auf sie beruft. Danach muss
ich annehmen, dass es ein Irrtum ist, wenn Roth behauptet, in Folge der schar-
ten Invective Vergerio's habe Malatesta die Statue wieder aufrichten lassen
(C. L. Roth Ueber den Zauberer Virgil in Pfeiffers Germania IV. Separatabdr.
P- 44). Labus spricht ausdrücklich von vergeblichen Versuchen, die Statue wieder
aufzufischen.

9 Carli Dissert. sopra un antico ritratto di Virgilio, welche Schrift mir leider
so wenig wie die von Mainardi (1833) und der betreffende Abschnitt aus Miliin
(Voyage en Italie) zugänglich war.
 
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