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Beamter eine mühsame und oft sorgenvolle Lauf-
Lahn durchmachen und als er starb, hinterließ er
ihm nichts. Von der kurzen Spanne Zeit emer halben
Stnnde hing sein ganzes Geschick ab und diese
halbe Stnnde hat auch Hugo's Geschick bestimmt//
„Kann er als Mann sich uicht eine Stellnng
erringen?" warf Cläre ein.
„Er schreckt vor den Schwierigkeiten zurück,"
fuhr Heino fort. „Es wäre vielleicht besser für
ihn gewesen, wenn er nie hieher gekommen Ware,
er Hütte dann nicht gesehen, wie sorgenlos das
Leben für uns dahinrinnt. Sein Geschick ist kein
beueidenswerthes, um so mehr fordert es unH auf,
Nachsicht mit ihm zu üben."
Hugo erleichterte Cläre's Entschluß, ihm mög-
lichst unbefangen entgegenzutreten, denn er schlitzte
Unwohlsein vor und erschien an der gemeinschaft-
lichen Abendtafel nicht. Auf seinem Zimmer saß
er allein in finsterer Stimmung. Mißlungen war
sein Vorhaben, abgewiesen sein Geständniß. Ge-
glaubte die Menschen genau zu kennen und hatte
sich dennoch durch Cläre's Freundlichkeit täuschen
lassen, ihr Herz schlug nicht für ihn. Würde sie
gelacht haben über sein Geständniß, wenn nur ein
Hauch der Liebe ihre Brust erfüllt Hütte? Die
Worte, welche Heiuo halb im Scherz zu ihm ge-
sprochen hatte: „Du hast nichts und bist nichts!"
hallten in ihm wieder. Unwillkürlich lachte er halb-
laut auf. Ja, em hatte nichts, allein war es
Heino's Verdienst, daß er als Erbe des großen
Gutes geboren war? Hatte dieser Grund auch Cläre
bewogen, sich mit Unwillen von ihm abzuwenden?
Er sprang auf und schritt hastig im Zimmer
auf und ab. Heiß floß ihm das Blut durch die
Adern und seine Stirn brannte. Den Entschluß,
Cläre zu erringen, hatte er nicht ausgegeben, der-
selbe war mit seinem ganzen Leben unzertrennbar-
verwachsen und er gehörte nicht zu denen, die von
dem Ziele, welches sie sich gesteckt haben, ablassen,
weil der erste Versuch, es zu erringen, mißlungen ist.
Sollte er all seine Kräfte daran setzen, sich
eine Lebensstellung zu erringen und dann auf's
Nene vor Cläre hintreten und nm ihre Liebe
werben? Er wußte, daß er die Fähigkeiten dazu
in sich trug; allein ihm fehlte die Lust zu ernster
Arbeit, der Muth, um all die Schwierigkeiten,
welche sich ihm nothwendig entgegenstellen mußten,
zu überwinden. Vielleicht würde der Ehrgeiz, der
seine Brust erfüllte, diese Unlust überwunden haben,
hätte nicht ein anderer Grund ihn zurückgehalten.
Der Weg, den er einschlagen mußte, um sich eine
Lebensstellung zu erringen, war ein langsamer;
durfte er hoffen, daß Cläre's Herz und Hand
dann noch frei sein werde, wenn er sein Ziel er-
reicht hatte? Er durfte sich nicht von ihr trennen,
er wollte sie überwachen, um zur rechten Zeit,
wenn ein Anderer Eindruck auf ihr Herz machte,
einschreiten zu können.
Er bereute, daß er sich durch seine Leidenschaft-
lichkeit hatte hinreißen lassen, Cläre seine Liebe zu
gestehen, er sah ein, daß es klüger gewesen sein
würde, wenn er sein Ziel langsamer verfolgt Hütte,
der Schritt war indeß einmal geschehen, setzt galt
es, den üblen Erfolg desselben wieder auszugleichen.
Der Abend war völlig hereingebrochen, in dem
Parke war es still geworden. Durch das geöffnete
Fenster trug der Abendwind den Dust naher
Blumenbeete in Hugo's Zimmer, in den Wipfeln
der hohen Bäume rauschte es leise.
Hugo war an das offene Fenster getreten,
die Frische der Abendluft that seiner heißen Stirn
wohl, seine Brust athmete leichter, wenn auch sein
Herz noch gleich aufgeregt schlug.
Rasche und doch leichte Schritte im Parke
näherten sich dem Fenster. Sein scharfes Ohr er-
kannte sie — Heino nahte. Er trat vom Fenster
zurück, um nicht gesehen zu werden. Hinter dem
Vorhang versteckt folgten seine Augen dem Vorüber-
schreitenden; er hatte sich nicht geirrt, es war Heino.
Wohin konnte dieser mit so hastigen Schritten eilen?

Ohne zu zögern schwang sich Hugo ans dem
Fenster und folgte, durch ein Gebüsch gedeckt, dem
Freunde in kurzer Entfernung. Seine Tritte waren
unhörbar und sein dunkles, glühendes Auge suchte
die Dunkelheit'des Abends zu durchdringen.
An der Seite des Parkes stand ein nur ein-
stöckiges, aber freundlich gelegenes Haus, in ihm
wohnte der Gärtner. Dorthin eilte Heüw und trat
in eine nahegelegene Laube. Vorsichtig schlich Hugo
sich an die Laube heran. Halbflüsternde Stimmen
drangen aus derselben, und als er einige Zweige
der Laube behutsam auseinanderbog, konnte er die
darinnen Sitzenden deutlich erkennen. Neben der
Tochter des Gärtners saß Heino auf der Bank,
Beider Hände ruhten in einander.
Schon längst hatte Hugo wahrgenommen, daß
Heiuo dem jungen und hübschen Mädchen freund-
liche Blicke zuwarf, von dem Liebesverhältnisse
Beider hatte er indeß keine Ahnung gehabt. Un-
bemerkt konnte er sie belauschen, keins ihrer Worte
entging ihm.
„Mein Vater drängt mich," sprach das Mädchen,
„die Werbung des jungen Försters anzunehmen."
„Nein, Gertrud, das darfst Du nicht?" rief
Heino. „Liebst Du ihn?"
„Nein," entgegnete das Mädchen. „Er ist
immer freundlich gegen mich gewesen, er besucht
meineu Vater ost, allein jetzt weiß ich, daß ich ihn
nicht liebe, mein Herz kann nur Dir gehören."
„Und ich werde nie von Dir lassen," rief
Heino, indem er den Arm um das junge Mädchen
schlang und sie fester an sich zog. „Sieh', Benko"
— dies war der Name des jungen Försters —
„wird Dich vergessen. In kurzer Zeit wird sein
Vater sich zur Ruhe setzen, dann wird er dessen
Stelle erhalten und hundert Wege stehen ihm
offen, um sich eine andere Frau zu suchen."
„Und doch fürchte ich mich vor ihm," warf
Gertrud ein. „Er hat geschworen, daß ich die
Seinige werden soll!"
„Steht es in seiner Macht, seinen Schwur zu
halten, wenn Du ihn nicht liebst und seine Werbung
zurückweist?" unterbrach sic Heino.
„Er hat einen heftigen, wilden Charakter."
„Aber keine Macht, Dich zu zwingen," warf
Heino ein. „Und auch Dein Vater kann dies
nicht; soweit reicht sein Recht nicht."
Gertrud schwieg. Sie schien in Gedanken ver-
sunken zu sein.
„Heino, wenn Du mich je verlassen könntest!"
sprach sie endlich, den Kopf cmporrichtend. „Ich
ertrüge es nicht. Ich habe mein Herz nicht ge-
kannt, bis Du mir gestandest, daß Du mich
liebest, jetzt weiß ich aber, daß mein Herz nur
für Dich schlägt, daß ich ohne Dich kein Glück
mehr finden kann!"
„Du sollst es finden, durch mich!" rief Heiuo,
sie unterbrechend, und versicherte ihr auf's Neue
seine Liebe mit einem Schwure.
„Wird Dein Vater zugeben, daß ich die Deinige
werde?" fragte Gertrud.
„Jetzt nicht," erwiederte Heino. „Jetzt bin
i-ch noch abhängig von ihm, allein in wenigen
Jahren bin ich mündig, dann bedarf ich seiner
Einwilligung nicht mehr und dann wirst Du für
immer die Meinige. Sieh', wir sind beide noch
jung, die wenigen Jahre werden uns in unserem
Glücke wie im Fluge dähinschwinden, vor uns
liegt dann noch ein langes Leben!"
In goldenen Bildern malte er ihr die Zu-
kunft aus.
„Die Jahre werden schwinden," wiederholte
Gertrud halb in Gedanken, „wirst Du mich nach
Jahren aber noch eben so innig lieben? Ich zweifle
nicht an Deiner Liebe, ich weiß, daß Dein Mund
nicht die Unwahrheit sprechen kann, und doch steigen
oft bange Befürchtungen in mir auf, wenn ich
allein bin und an die Kluft denke, die uns trennt.
Ich wünsche, Du wärest arm wie ich, Du wärest
eiu Gehükfe meines Vaters. Offen könnten wir

dann mit unserer Liebe hervortreten, wir brauchten
nicht zu fürchten, vcrrathen und getrennt zu werden,
freudig wollte ich jedes Geschick mit Dir theilen
und müßte ich um Lohn arbeiten, um Dir den.
Erwerb unseres Unterhaltes zu erleichtern."
Mit schmeichelnden Worten scheuchte Heino jede
Besorgnisi der Geliebten fort. Er liebte sie zu
innig, um sie nur mit einem Worte zu täuschen
und es war sein fester Entschluß, sich für immer
mit ihr zu verbinden. Sein Herz erkannte keine
Kluft, die sie trennte, an, es sah nicht den Unter-
schied ihrer Stellung und Bildung, es erwog nicht
den Riß, den eine solche Verbindung in all' seine
Verhältnisse bringen mußte, all' seine Gedanken
waren nur daraus gerichtet, das geliebte Mädchen
für immer an sich zu fesseln. Noch hatte er keine
Ahnung davon, wie oft die Grundsätze und Ent-
schlüsse wanken, wenn die Jngendgluth des Herzens
schwindet, wenn das Blut langsamer rinnt und
der Verstand die Oberhand gewinnt.
Und auch Gertrud ahnte dies nicht. Sie glaubte
deu Worten des Geliebten, weil sie fest an seine
Liebe glaubte.
Es war spät geworden. Heino rieß sich endlich
aus den Armen des geliebten Mädchens los und
eilte fort. Gertrud blieb noch wie in: Traum ver-
sunken sitzen. Ob sie die Bilder des Glückes, welche
Heino ihr ausgemalt, im Traume weiterspann?
Leise wollte Hugo sich zurückziehen, als er auf's
Neue durch eine Gestalt, welche auf die Laube zu-
eilte, gefesselt wurde. Regungslos blieb er stehen
und erkannte in dem Nahenden den jungen Forster.
„Gertrud!" ries Benko und seine Stimme
zitterte vor Aufregung. „Wer war bei Dir? Wer
hat Dich soeben verlassen?"
Erschreckt fuhr das Mädchen zusammen.
„Niemand — Niemand!" stammelte cs halb
verwirrt.
„Willst Du meine eigenen Augen Lügen
strafen?" fuhr der Förster erregt fort. „Glaubst
Du, ich habe ihn nicht erkannt? Ihm hast Dip
also Dein Herz zugewendet, deßhalb weist Du
meine Werbung zurück! Haha! Ich bin Dir nicht
gilt genug, seitdem er Dich bethört hat!"
„Ich bin Niemand Rechenschaft über mein
Herz schuldig," entgegnete Gertrud halb trotzig,
da sie sah, daß ihre Liebe entdeckt war.
„Doch, doch!" fiel der Förster ein, „Dein
Vater hat mir Deine Hand zugesichert, Du weißt,
daß ich um Deiue Liebe werbe und bist stets
freundlich gegen mich gewesen, Du hast mich nie
zurückgewiesen, sondern die wilde Glnth in meiner
Brust noch mehr angefacht! — Gertrud," fuhr er
fort und seine Stimme nahm einen weicheren,
stehenden Ton an, „Dn weißt, wie ich Dich liebe,
Alles, Alles will ich Dir zum Opfer bringen,
wenn Du es verlangst, prüfe Dein Herz, ehe es
Dich zu weit hinreißt. Glaubst Du, daß Heiuo
Dich je zu seinem Weibe nehmen wird? Er wird
es Dir zuschwören, um Dein Herz zu bethören,
allein er wird den Schwur vergessen, sobald er
Deiner Liebe überdrüssig ist! Hoffst Du, der stolze
Gutsbesitzer werde je zugeben, daß die Tochter
seines Gärtners die Herrin seines Hauses wird?"
„Halten Sie ein," unterbrach ihn Gertrud,
„Sie haben kein Recht, die Aufrichtigkeit und Treue
von Heino's Liebe zu bezweifeln!"
(Fortsetzung folgt.)

Friedrich Wilhelm Kronprinz von
Preußen.
(Siehe daS Bild auf Seite i.)
Der junge Held, der deutsche Fürstensohn, dein
hoffentlich dereinst das schöne Vorrecht beschieden sein
wird, ganz Deutschland als ein einziges nationales
Reich unter seinem rnilvcn und weisen Sceptcr zu
regieren und der Einheit die Freiheit folgen zu lassen,
Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl, Kronprinz von
 
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