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der aber durch Insektenvertilgung sehr nützlich ist,
erbeutet wird), den Schaden, den ein Falk, Weih
oder Milan unter dem Wildstande anrichtet oder
der Landwirtschaft zufügt, durchschnittlich täglich
mit mindestens 2V2 Groschen berechnen. Für
einen Vogel würde das in einem Monate Lch-,
in einem Jahre 18 Thaler machen, für die er-
legten 86 Stück aber die fast unglaublich klin-
gende Summe von 215, resp. 1548 Thalern be-
tragen! Ganz anders aber verhält es sich mit
den Dohlen, Thurmfalken und Bussarden, dis
ebenfalls vor die Krähenhütte kommen und von
Unverständigen zusammengeschossen werden. Scha-
den verursachen diese Thiere gar keinen, wohl
aber gewähren sie die entschiedensten Vor-
theile. Der Schaden, den eine Feldmaus der
Oekonomie im Laufe eines Jahres zufügt, ist von
Praktikern auf mindestens 4 Silbergroschen ver-
anschlagt worden. Der Mäusebussard verzehrt
aber durchschnittlich täglich eine Maus und ge-
währt somit einen jährlichen Nutzen von 46 Tha-
lern! Sie sehen also, daß, wenn durch die Er-
legung eines Taubeufalken 18 Thaler jährlich ge-
wonnen werden, durch die Tödtung eines Bus-
sard's wieder ein doppelter Ausfall herbeigeführt
wird. Bei den vorstehenden Angaben sind stets
die niedrigsten Zahlen in Rechnung gebracht wor-
den. Wie oft kommt es vor, daß ein Bussard
täglich drei bis vier Mäuse, oft auch einen Ham-
ster verzehrt und nebenher noch eine Mengs von
Insekten. Alles das kam bei meiner Berechnung
nicht in Betracht. Was sodann die Atzeln betrifft,
so gleichen sich bei ihnen Nutzen und Schaden
fast aus. In unserer Gegend sind die Raben-
krähen und Kolkraben fast zu häufig, und der
Schaden, den sie auf den Bauerhöfen anrichten,
überwiegt den Nutzen, den sie durch die Vertil-
gung von Ungeziefer und dessen Brut stiften.
Jndeß muß auch in ihrer Verminderung weislich
Maß gehalten werden. Eine Saatkrähe aber, die
sich dann und wann auch heranwagt, zu schießen,
halte ich für. ein Vergehen, denn sie ist die beste
Vertilgerin der Maikäfer und ihrer Larven und
eine der besten Mäusejägerinnen, die unser Vater-
land auszuweisen hat. Weil die Krähenhütten
zum Vortheile der Laudwirthschaft und des Wild-
standes eingerichtet werden, so muß nicht allein
jeder Jäger, sondern auch jeder Oekonom eine
genaue Kenntniß von der Lebensweise der Vögel
besitzen, die auf den Uhu stoßen, damit sie sich
in der Ausrottung oder Schonung des betreffen-
den Raubzeugs die Hände reichen. Ein jeder
brave Waidmaun wird auch keine Freude daran
haben, nur blindlings drauf loszuschießen, sondern
wenn er seine Pflicht erfüllen will, stets darauf
bedacht sein, zu nützen, nicht zu schaden."
Wenn doch alle Jäger so dächten, wie der
wackere Förster Erich, und wenn doch alle Land-
wirthe die Vorurtheils ablegen möchten, die sie
gegen gewisse Thiere, die von fo großer Wichtig-
keit für sie sind, noch immer hegen!
Ein schwieriges Problem.
Episode aus einer ehemaligen deutschen Kaiserkrönung
Karl Aeumaun-Slrela.
„Leopold der Zweite, von Gottes Gnaden er-
wählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer
des Reiches, König in Germanien, zu Castilien
Arragon, Legion, beider Sicilien, zu Hierusalem
Hungarn, Böheim u. s. w., Erzherzog zu Oester-
reich, Herzog zu Burgund, zu Brabant, zu Mai-
land, zu Steyer, zu Kärnthen u. s. w., Fürst zu
Schwaben, zu Catalouien und Asturien, Markgraf
des heiligen Römischen Reiches u. s. w., gefürsteter
Graf zu Habspurg, zu Flandern, zu Tprol, zu
Pfird u. s. w., Landgraf in Elsaß, Graf zu Go-
ziani, zu Namur, zu Roussillon u. s. w., Herr

auf der Windischen Mark, zu Portenau, zu Bis-
capa, zu Molins, zu Salins, zu Tripoli und zu
Mecheln."
Mit seinem Wahlspruche „durch Tugend und
Beispiel" auf den Lippen, war Joseph II. in
Wien verschieden. In der Krönuugsstadt am
Main wurde sein Bruder Leopold zu seinem Nach-
folger erwählt, der vorletzte römische Kaiser deut-
scher Nation. Der glückliche, unglückliche Leopold!
Welch' eine Unzahl der ermüdendsten Ceremonien
mußte er in Frankfurt ertragen, bevor er die
Krone auf seinem Haupte fühlte, die Herolde seinen
Namen auf allen Gassen riefen und er das Recht
besaß, jenen prächtigen Titel zu führen. Er wählte
sich den herrlichen Wahlspruch: „Die Herzen ihrer
Unterthanen sind die Schätze der Könige." Mit
dem redlichsten Willen, zum Heil der Deutschen
auf dem Wege seines Bruders fortzuschreiten, er-
griff er das Schwert Karl's des Großen, allein
zu bald nur nahm der Tod das Schwert ihm aus
der Hand.
Diverse Wochen vor dieser Krönung füllten
sich schon dis Gasthöfe in und um Frankfurt. Er-
lauchte Herren, die vom Kaiser den Ritterschlag
empfangen sollten und den vielbeneideten Schlag
gar nicht erwarten konnten, trafen viel zu früh
ein; aber die hohe Reichserbmarschallamts-Depu-
tation war doch Allen voran.
Mit den wichtigsten Gesichtern, ungeheuren
Perrücken und in kirfchrothen Röcken mit blau-
weißen Glasknöpfen, kamen diese alten Excellenzen
in Frankfurt an. Jedes Land und jedes Länd-
chen lieferte so einen treuen Diener seines Herrn,
und da nun, wie bekannt, damals die Karte von
Deutschland sehr bunt aussah, so mußte auch die
hohe Reichserbmarschallamts-Deputation aus sehr
vielen treuen Häuptern bestehen.
Was Wunder, daß die Excellenzen, nachdem
sie sich gegenseitig besucht und begrüßt, ihre Stir-
nen in sehr tiefe Falten legten! Daheim erdrückte
die Arbeit sie nicht, aber hier in Frankfurt —
was gab es Alles zu bedenken und zu arrangiren,
wie viele Beschwerden waren zu empfangen, zu
prüfen, zu berathen, wie viele Bittgesuche, wenn
auch nicht zu erledigen, so doch mindestens zu be-
trachten, und wie viele Schreiben mußten erbrochen,
gelesen, besprochen und beantwortet werden! Die
Aermsten seufzten unter der Last der Geschäfte,
und um vor Störungen sicher zu sein, zog sich
die Deputation bis zur Krönung nach Offenbach
zurück.
Ach, und gleich das erste Schreiben, welches
als Zeichen höchster Wichtigkeit ein ,,m688LZ6r
ü ellovul" überbrachte, erforderte das größte Kopf-
zerbrechen.
Da schrieb von irgend einem Schlöffe ein Graf
v. Pappeuheim. Erlaucht bat auf den ersten drei
Seiten eine hohe Reichserbmarschallamts-Depu-
tation wegen dieses Gesuches um Verzeihung.
Dann folgte im Namen der vier jungen Grafen
v. Pappenheim das Gesuch:
Seit der glorreichen Zeit Rudolph's I. sei es
Brauch, daß die Reichsgrafen die Speisen auf die
kaiserliche Krönungstafel zu tragen hätten. Er,
der Graf v. Pappenheim, werde nun zwar durch
körperliche Beschwerden am Erscheinen in Frank-
furt verhindert, allein er stelle die wohlbedachte,
wohl zu empfehlende Bitte: es möchte statt seiner
seinen vier Söhnen Lothar, Kurt, Gervasius und
Mauritius gestattet werden. Seiner k. k. Majestät
die Schüsseln zu reichen.
Dieses allerdings böchst wichtige Gesuch ver-
setzte die Deputation einen ganzen Tag in die
größte Verlegenheit.
Am nächsten Tage war man dann in so weit
über sich Herr geworden, daß die Sache wohl
erwogen, respektive ein Entschluß gefaßt werden
konnte.
Erlaucht hatte einige Vettern und verschiedene
gute Freunde in Offenbach. Sonst wäre man

ck
schneller mit seiner Eingabe fertig geworden. Aber
die Vetter- und Freundschaft ließ sich nicht gleich
aus dem Felde schlagen. Pappenheim's Gegner
verlangten entschiedene Ablehnung und führten
aus:
Sintemal die Herrschaft des Grafen keine
wirkliche Neichsgraffchast, sondern nur eine un-
mittelbare reichsritterschaftliche Besitzung wäre, und
sintemal es erst dem Grafen wegen persönlicher
Tapferkeit von des in Gott ruhenden Kaisers
Franz I. Majestät ausnahmsweise gestattet worden
sei, eine Schüssel auf die Krönungstafel zu tragen:
so könnte seinem Wunsch wegen der jungen Grafen
um so weniger gewillfahrt werden, als ja seit
undenklichen Zeiten nur den Senioraten der x. x.
Häuser diese hohe Ehre zu Theil geworden sei.
Die Vettern und Freunde befanden sich in der
Minorität. Es verdroß sie, den Pappenheims nicht
gefällig sein zu können. Allein sie suchten und
fanden einen Ausweg, um sich die Ablehnung
von den Schultern und sie aus die Schultern An-
derer zu wälzen.
Die Majorität stimmte diesem Auswege bei,
und damit war das Gleichgewicht wieder hergestellt.
So viele Reichsgrafenlande das liebe Deutsch-
land zählte, ebenso viele Couriere, mit Schreiben
in Sachen derer v. Pappenheim in den Leder-
taschen, gingen nun von Offenbach ab. Wie
sprengten sie durch Städte und Dörfer, über Fel-
der und durch Wälder dahin! Städter und Bauern
setzten sie in Schrecken, denn im Gefühle ihrer
Wichtigkeit schonten sie nichts; die Leute an den
Ecken, die Kinder auf den Gassen, die Saat auf
den Feldern wurden niedergeritten, der nächste
Weg war ihnen der beste. Alles an ihnen flog:
der Zopf, die Schärpe, die Tasche, das Horn; ihr
Gesicht war rother als ihr Rock und nur vor den
Schenkhäusern zügelten sie das Roß.
Einer nach dem Anderen kehrten dann die
Couriere nach Offenbach zurück.
Die hohe Deputation hätte nicht nöthig ge-
habt, die Antwortschreiben der diversen Reichs-
grafen zu lesen. Daß ein einstimmiges Nein er-
folgen würde, war ihr ja schon im Voraus un-
zweifelhaft gewesen. Und jetzt hatte sie erreicht,
was sie gewollt: diese sämmtlichen Nein waren
die beste spanische Wand, um Bereitwilligkeit und
fehlgeschlagene Versuche geschickt dahinter zu ver-
bergen. Nicht die Deputation schlug das Gesuch
des Grasen v. Pappenheim ab; es waren die
Seuiorate der zn x. Häuser mit ihrem uni8ouo:
NON x»O88UINN8!
Der Bescheid aus Offenbach an Erlaucht ist
uns aufbewahrt worden. Die Pointe desselben
nach einer Fülle von Redensarten lautet so:
„So erfreut und diensterbötig die gesummten
Reichsgrafen des heiligen römischen Reiches selbst
in dem Falls sein würden, daß der Herr Graf
v. Pappenheim Zum römischen Kaiser und König
von Germanien gewählt werden wollte, so wenig
könnten sie jedoch auf dessen exorbitantes, unüber-
sehliches, unberechenbares und folgeschweres Be-
gehren, die Herren Söhne beim Schüsseltragen
und Aufwarten zuzulafsen, weder für jetzt noch
in alle ewige Zeiten eingehen."
Lothar, Kurt, Gervasius und Mauritius muß-
ten in diesen Bescheid sich finden. Erlaucht brachte
aber der Verdruß über diesen Ausgang seines
Gesuches noch ein wenig früher in die Ahnengruft.
Eine Anzahl anderer Sachen war während
des Hin und Her der Couriere von der Depu-
tation erledigt worden. Unterdessen hatte nun
das kaiserliche Hofküchenamt seinen Sitz in Frank-
furt aufgeschlagen, und jetzt kam eine Angelegen-
heit zur Sprache, so schwierig und so wichtig,
wie sie den Perrückenköpfen in Offenbach noch nie
begegnet war.
Siebenunddreißig Schüsseln hatten die Reichs-
grafen auf die Krönungstafel zu tragen.
Die erste Schüssel trug ein Schwabe. Die
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