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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 1
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Riehl, Berthold: Der Alterthümler und das moderne Kunstgewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0021

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jüngsten Stücken derselben, eine Zeit, in der sich der Ge-
schmack wesentlich geändert hat; aber doch bietet das
Zimmer mit den alten, rauchgeschwärzten Bildern, den
großen Hirschgeweihen und dein Lüsterweibchen ein
ansprechendes, einheitliches Bild, an dem jeder, der für
einen behaglichen, stinrmungsvollen Raum Sinn hat, seine
Freude haben wird.

In einem entschiedenen übrigens
wirkenden Gegensatz steht zu diesen Zim-
mern das der Dame des chauses, der
jüngste Theil der Sammlung. Ein Helles,
freundliches Rococozimmer, macht es
mit seinen leicht, oft etwas capriciäs
geschweiften Möbeln, die mit schön ge-
blümten Stoffen überzogen sind, einen
entschieden heiteren Eindruck. Gehoben
wird dieser noch durch die netten sDorzellan-
figürchen und ähnliche Spielereien auf dem
Schreibtisch, durch die flotten s)ortraits
aus dem vorigen Jahrhundert in den
graciösen Rococorahmen, sowie durch die
kleinen silbernen Spiegel mit den Lichtern,
und wird Abends zu Gesellschaften der
stattliche, gläserne Kronleuchter angezün-
det, so erhält das Zimmer eine geradezu
glänzende Feststimmung.

Der Besitzer dieser und noch mancher
anderer Herrlichkeiten gehört nicht zu jenen
Alterthümlern, die ihre Schätze ängstlich
vor den Augen ihrer Mitmenschen ver-
bergen, sich in dieselben vergraben, son-
dern die größte Freude des freundlichen,
entgegenkommenden Mannes ist, feine
Sammlung zu zeigen und durch sie den
Besuchern möglichst Anregung und Be-
lehrung zu geben. So hat er sie auch
stets einem jüngeren Manne gern ge-
öffnet, einen: feinen Kenner alter Kunst,
der hier oft Studien macht zur Einrich-
tung seiner nahegelegenen Billa, in die
er aber merkwürdiger Weise, trotz seiner
Vorliebe und Verehrung für die alte
Kunst, keine Alterthümer aufnehmen will.

Dadurch entstehen natürlich mancherlei
Meinungsverschiedenheiten zwischen den
beiden Nachbarn, und die alte Kunst, die
eigentlich ihre Freundschaft begründete,
droht nicht selten, dieselbe auch wieder
zu zerstören.

Der Streit beginnt zuweilen schon an der bsaus-
thüre. Ihren Schmuck bildet nämlich ein fpätgothifches
Befchläg an: Schloß, das eheden: an der Sakristeithür
einer bayerischen Dorfkirche befestigt war, und ein Thür-
klopser der Frührenaissance aus Vicenza. Der jüngere
Mann ist der Ansicht, es widerspreche jeden: feineren
Stilgefühl, das der Alterthümler sonst oft so peinlich
beobachte, derartig heterogene Dinge an einer Thür
neben einander zu nageln; der ältere dagegen meint, sie
wirkten doch ganz gut neben einander, und gerade der
Vergleich beider ungefähr gleichzeitig in Deutschland und

Italien gefertigten Thürverzierungen rege zu feinen stilisti-
schen Studien an.

Dem malerischen Reiz des Studirzimmers zollt der
junge Kritiker unbedingte Bewunderung, aber, nreint er,
so anregend es für einen Malev, so geeignet es deshalb
für den stimmungsvollen Nebenraum eines Ateliers sei,
so wenig passe es zum Studirzimmer eines modernen
Gelehrten. Der Schreibtisch, der ohnehin nicht recht Herein-

passe, sei viel zu schmal; das Brett, das zun: Schreiben
heruntergelassen wird, ist nicht genügend unterstützt und
wackelt deshalb, und so oft man den Schreibtisch öffnet,
fällt das eine oder andere Stück der kleinen Gesimse oder
sonst eine Zier herab; das alte, morsche bsolz hält eben
nicht mehr zusammen. Der spätgothische Stuhl ist gewiß
ein recht seltenes Stück, aber einen halben Tag auf ihm
sitzen und schreiben, wird jeden:, selbst den: begeistertsten
Alterthümler eine Marter sein; auch die Sitzgelegenheit
auf den Truhen mit den alten, klebrigen Lederkissen ist
nicht sonderlich bequem, und in denselben die zahlreichen

recht erfrischend

8. Iagdsaal; Tintenskizze von Architekt Theodor Fischer, München.

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Zeitschrift de- bayer. Aunstgew erbe-Vereins München.

*896. lieft (Bg. 2.)
 
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