Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 6.1910/​1911

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Deutsch, Otto Erich: Unbekannte Illustrationen von Schwind
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57689#0084

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seife 68


Bläffer für Gemäldekunde. ••(=>••<=>••0=3

Bd. VI.

„nach einer GeSchichfe in den Ann. Foroliv.
bei Hluratori* **)) Tom XXIV* geschrieben.
Guido Bonaffa, ein berühmter ÄStrolog und
Astronom des 15. Sahrhunderfs, gilt in
Forli als Ilekromant. Die Bevölkerung
fürchtet ihn. Eines Hlorgens läfjf er durch
feine Siebzigjährige Haushälterin, die einem
wandelnden Cotengerippe gleicht, den armen
Kaufmann Antonio zu Sich rufen. Über einen
langen Gang wird Antonio in die unheim-
liehe Stube des Aftronomen ins Hinterhaus
geführt. Sie iSt ganz ungefüllt mit magifchen
Apparaten. Herr Guido fit}! Schreibend beim
FenSfer, ihm zur Rechten Steht eine große
Tafel, auf der man den Stand der Planeten
ablefen kann, vor ihm auf dem Tifche aber
ein kleines Schiff, aus Schwarzem Wachs
So geSchickt verfertigt, dafj die einzelnen
Teile, IllaSfe, Segeln, Taue, Ruder, Boote,
AnkerSföcke, ja Sogar die FäSSer, Ballen mit
Kaufmannsgütern auf dem Verdeck, Hlatro-
Sen und Steuermann genau zu unferSchei*
den Sind. Guido Schenkt Antonio das Schiff,
das ihm zu Wohlstand und Reichtum ver-
helfen Soll. Der Kaufmann nimmt es
zögernd mit. Flach mancherlei Abenteuern
kommt Antonio als reicher Ulann heim
und Guido offenbart ihm, daß das Schiff-
lein kein Zauberwerk, Sondern nur ein
harmloSes mittel war, den Unteniehmungs--
geiSt des jungen Kaufmanns anzufpornen
und zum Glücke zu führen. —Schwind hat die
auf Seife 4 des Almanachs erzählte Begeg-
nung herausgegriffen. Die Komposition, na-
mentlich der „zwischen Büchern und Papier"
eingezwängte ÄStrolog, klingt an das Ge-
mälde „Fault und ITlephiSto" von Ii. F.
S ch n 0 r r v. Carolsfeld in der kaiserlichen
Gemälde=Galerie an (181), das Seinerzeit
großes AufSehen erregte und das Schwind
Seinem Lehrmeister Schnorr besonders hoch
anrechnete.
Die zweite Abbildung illustriert die Er-
zählung „Das Kind von Foix" von Karo-
line v. Weltmann, der dieSer Jahrgang
des Almanachs gewidmet iSt4*-1-). Die Ver-
*) üodovico Hnfonio ITlurafori, itcilienifcher Ge-
lehrter, 1672 bis 1750.
**) Soedecke nennt zwar das Tafchenbuch, führt
aber die beiden Erzählungen bei Enk und Weltmann
nicht an,

faSSerin dieSer Dovelle iSt 1782 in Berlin
geboren. Sie war in erSfer Ehe (1799) mit
dem preußischen Kriegsrat Karl ITIü chler
vermählt, von deSSen fleißiger Feder Sich
nur die Hymne „Heil Dir im Siegerkranz"
erhalten hat. Hach kurzer Zeit ließ Sich
Karoline Scheiden und heiratete 1805 den
GeSchichfsSchreiber Karl Iiudw. Weltmann,
mit dem Sie 1813 aus politischen Gründen
nach Prag überSiedelfe. Dorf fand Sie reich-
liehen Stoff für ihre Schriftstellere! in den
Sagen des böhmifchen Volkes. Seif 1817
verwitwet, blieb Karoline v. Wolfmann noch
bis etwa 1826 in Prag und überSiedelfe
dann wieder nach Berlin, wo Sie 1843 Starb.
Die Dovelle des Almanachs iSt hiStorifch.
GaSton III. Graf von Foix, Vicomt von Be-
arn, wegen Seiner Schönheit Phöbus ge-
nannf, lebte 1331 bis 1391 und war Gou-
verneur von Iianguedoc und Gascogne. Er
faßte gegen Seinen eigenen Sohn Verdacht,
daß er ihn im Einverständnis mit Karl dem
BöSen von Havana vergiften wolle, warf
den Sohn deshalb ins Gefängnis und
mißhandelte ihn So Sehr, daß er den frei»
willigen Hungertod vorzog. Die Dichterin hat
diele Gefchichte allerdings etwas modifi-
ziert, und gerade in der Szene (Seite 180
des Taschenbuches), die Schwind illustrierte.
Der Graf erfährt, daß Sein Sohn GaSton
im Gefängnisturm alle ihm dargereichfen
SpeiSen versteckte. Er eilt hin, packt GaSton
an der Kehle, reißt ihn empor und Schreit:
„Verräter, willst du dich mit Hunger töten ?"
GaSton neigt Sein Haupt, küßt leiSe die
Hand des Vaters und taumelt zurück. Der
Graf, ein wenig gerührt durch den Kuß,
triff an das hager, bemerkt Blut unter Ga-
Sfons Schulter, blickt auf Seine Hand und
erkennt, daß er den Sohn mit einem kleinen
HleSSerchen verleßt hat, „womit er Seine
Hägel zu pußen pflegte und das er ge-
wohnlich in der Rechten führte". („So was
kommt auch nur bei uns im IHittelalfer
vor!") Das DleSSer iSt ein Viertelzoll mit
Blut bedeckt. Der Graf verläßt, Thränen in
den Augen, den Turm und Schickt einen
Diener, nach GaSton zu Sehen. Er findet
den Jüngling mit offener Halsader tot. Der
Graf bleibt Sein lieben lang unglücklich.
Die Szene, die Schwind zu illustrieren
 
Annotationen