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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Scharf, Alfred: Die Brautschachtel der Sammlung Figdor
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0034

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radezu als Vorbilder gedient haben. In verwandter Weise kehren hier Ornamen Lmotive,
Blattranken undder Pantherwieder(BIatt 2277,fo. 215 2425, fo. 2165 2426,fo. 216).
Einen weiteren Schlüssel zur Bestimmung des interessanten Objektes erhalten wir aus
einer Zeichnung Pisanellos aus der Sammlung Lugt in Maartensdijk (Holland). Sie
zeigt wie das Deckelbild die Profilfiguren eines I rebespaares. Wie der Engel der Ver-
kündigung vor Maria ist der Jiingling im Begriff, mit einer Begriißungsgeste vor seiner
Herzensdame niederzuknieen. Möglicherweise liaben wir es mit einem Entwurf zu
einer Darstellung, wie sie das Deckelbild der Figdorschen Schachtel ziert, zu tun. Das
Gedicht könnte in einem Schriftband wie auf dem Deckel Raum gefunden haben. So
sehr wir uns durcli diese Zeichnung Pisanello nähern, so weit entfernen wir uns von
ihm bei einem stilkritischen Vergleich der figürlichen Details. Die Verwandtschaft ist
nur allgemein und äußerlich. Es besteht etwa der gleiche Unterschied wie zwischen den
gesicherten Werken Pisanellos und dem Tondo der Anbetung der Könige im Berliner
Kaiser-Friedrich-Museum, das Longhi aus dem Oeuvre Pisanellos ausgeschieden und in
das nur ldeine Werk Domenico Venezianos eingereiht hat, indem er mit guten Gründen
die florentinischen Elemente des Werkes betonte (L’arte 1925, S. 54). Die Verwandt-
schaft der Brautschachtel aber mit diesem Tondo war es gerade, was Molinier zu ihrer
Zuschreibung an Pisanello brachte. Wir haben also zwei Werke vor uns, die zwar
Pisanello stilistisch äußerst nahe stehen, ohne Arbeiten Pisanellos zu sein. Sind sie nun
Schöpfungen Domenico Venezianos? DieTätigkeit dieses Meisters und seine dokumen-
tarisch beglaubigten Arbeiten lassen die These wenig gesichert erscheinen, daß er sich
beinahe bis zur Verleugnung seiner künstlerischen Individualität unter den Einfluß
eines ihm zwar wesensnahen, aber mehr plastisch als malerisch gerichteten Künstlers
begibt. Die Annahme, daß zwei Künstler an der Brautschachtel gearbeitet haben
könnten, einer die Malerei, ein zweiter die plastischen Teile geschaffen habe, schaltet
aus, da die Beziehungen aller Teile zu Pisanello gleich stark sind. Eher ließe sich noch
denken, daß Pisanello das ganze Kästchen entworfen habe. Eine Hypothese, die, so
verlockend sie auch ist, leider nicht belegt werden kann. Da nun trotz aller stilistischen
Verschiedenheiten, die stärksten Beziehungen zur Kunst des Pisanello bestehen, wird das
Werk einem unbekannten Meister in der Artdes großenVeronesers zuzuweisen sein. An-
haltspunkte zur Datierung ergeben die zahlreichen gotischenReminiszenzen. Im Vergleich
zur Stilentwicklung Pisanellos erscheinen sie nach 145 o — 145g nicht sehr wahrscheinlich.

8

Italienisch, um 1450

Außenwand der Brautschachtel
Wien, Sammlung Figdor
 
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