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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 1
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Biermann, Georg: Renée Sintenis
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0043

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Renee Sintenis Fohlen. 1923

Mit Genehmigung der Galerie Alfred Flechtheim, Berlin

Es muß zusammenfassend gesagt werden, daß Frau Renee ein neues Franziskus-Evan-
gelium in die Welt brachte, für das wir ihr danken wollen. Wenige nur ermessen
heute schon den tieferen Sinn ihres schöpferischen Willens, weil die Welt im ganzen
viel zu sehr daran gewöhnt ist, nur die Oberfläche der Dinge abzutasten. Deshalb
findet man ihre Tiere reizend und wer es mit moderner Kunst hält, will solche ent-
zückenden Bronzen nicht missen. Diese kleine und ergreifende Kunst wird die Erde
erobern. (Ausstellungen in London und New York sind in Vorbereitung und die Reise
wird weitergehen über den Erdball.) Aber der Sinn dieser schöpferischen Arbeit liegt
tiefer: Es ist die Seele des Tieres, um die Frau Sintenis mit holier Könnerschaft ge-
rungen — und stirbt sie eines Tages eines, wie wir hoffen, seligen Todes, dann geht
sie in einen Himmel ein, den ihre Kreaturen bevölkern werden und sie wird Königin
werden über einem Reich, in dem das von den Menschen zu Unrecht verkannte, miß-
achtete und gequälte Tier ihr zu Ehren ein Hosiannah anstimmen wird.

Dies umschreibt den einen Teil des künstlerischen Schaffens dieser Frau. Der andere
gilt dem Menschen, d. h. dem Porträt und der Figur. Frau Sintenis beherrscht auch
diesen Teil einer Aufgabe, dem sich kein mondäner Bildhauer, zumal in Berlin, ent-
ziehen kann. Ihre Köpfe haben Charakter. Man fühlt den weichen, nachzeichnenden
Druck dieser Frauenhand, die über das Modell hinaus nach geistiger Intensivierung
strebt. Nicht zu leugnen, daß sie damit zu allgemein Gültigem vorstößt (das Bildnis

2 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 1

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