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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 1
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0046

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RUNDSCHAU

EINE YERKÜNDIGUNG IN KÖLN
In der neueren Geseliieltte dcs Kunstvandalismus
nimmt Köln bekanntlicli einen Ehrenplatz ein.
Es liat im Lauf der letzten lmndert bis hundert-
fünfzig Jahre weder Yerstand noch Kosten ge-
scheut, sein künsLlerisches Erbe zu demolieren.
Diese seine schon traditionell gewordene Helden-
rolle lädt ihm die Verpflichtung auf, auch in der
Gegenwart für Taten, ssiner wert, zusorgen. Schon
<lie Leistungen des Nachkriegs gebührend zu wür-
digen, hieße eine dickleibige Denkschrift schrei-
ben. Das neueste Erdreisten ist der Ersatz des al-
ten Richmodishauses am Neumarkt durch eine
neue Rurg, in die ein Warenhaus einquartiert ist
und von der ihr Meister selbst bezeugt, daß sie
»einen lebendigbewegten Rhylhmus« und »bei aller
Schlichtbeit der Mittel musikalischen Reichtum« in
einem Grade mitbringt, daß selbst der spätromani-
schen Apostelnkirche ganz anders wird. Was ver-
schlägt es da noch, daß einer der schönsten
spätgotischen Profantürme Kölns hier ohne zwin-
gende Not verbluten und, was das Widerwärtigste,
sich auch noch eine Karikatur seiner selbst aufs
Grab setzen lassen mußte! Urheber des neuen Ge-
schäftsmonsalvat ist der Architekt Bonatz aus
Stultgarl, sein Protektor aber der Kölner Bau-
direktor Abel, der uns jene Parodie auf den Turm
der Piazza dei Signori zu Vicenza, genannt Pressa-
turm, und das Messemaximilianeum vis ä vis der
Trinität von Groß St. Martin, Domchor und St.
Kunibcrt beschert hat.

Da anläßlich der Richmodisdemolation auch mit-
telalterliche Wandmalereien das Feld räumcnmuß-
ten und Köln seinen amusischen Ilaß von jeher
mit besonderer Hartnäckigkeit gegen alle Geister-
erscheinungen richtete, die an alten Kirchen- und
Klosterwänden auftauchten, indem es dieWände
entweder herunterriß (es gibt da in den Memoiren
des Sulpiz Boisseree eine herzbeklemmende Schil-
derung) oder die altcn Malereien von Restaura-
toren und Kirchenmalern wieder schön machen,
d. h. vergiften ließ, da, wie gesagt, Köln besonders
in diesem Punkte Erstaunliches leistete — und
noch lcistet —, so beeilt sich Referent, von einem
Fund zu berichten, den man jetzt in den Trüm-
mern des im 19. Jahrhundert verwüsleten Karme-
literklosters am Waidmarkt gemacht hat. Beim
Wegräumen alten Gerümpels trat das Wandge-
mälde einer lebensgroßen Verkündigung zutage,
und die Ilorren Geschworenen, die über Sein oder
Nidlitsein der heiligsten Geistesurkunden einer
Stadt befinden, als handele es sich um das privat-
rechtliche Schicksal von Suppenhühnern, sind sich
noch nicht einig, was werden soll. Der städtische
Konservator Dr. Vogts, nicht etwa höchste Instanz,
ist der Meinung, daß man das Fresko an Ort und
Stelle belassen und mit dem ihm würdigen Ilaum-
schutz umgeben müsse, da ein Transport der Mauer

ins Schnütgen- oder Wallraf-Richartz-Museum die
Malerei vernichten werde. Für ihn und alle Leule
hier, die das Odium des Banausentums schcucn,
ist somit die Frage enlschieden. Aber es wird vom
Nicken oder Scbütteln des Kopfes eines llohcn
Tiers abhängen, ob die blonde Frau und ihr Engel,
die sich ihr Augenlicht und den geadeltsten Gestus
der Zeit um 1470 bis i48o für uns fast ein halbes
Jahrtausend bewahrten, leben dürfen odcr rmtcr
der Spitzhacke verenden müssen.

Die großräumige Szene (der Tafelmalerei standen
solche Flächen kaurn jemals zur Verfügung) ist
angelegt links und rechts von ciner vermauerten
Tür, die einst zum Refektorium fiihrte; sie spielt
in einem heiteren, mit entzückcnd ausgckacheltem
Estrich und brokalenem Wandbchang geschmiick-
ten Raum, durch dessen Fenster man auf eine Ivöl-
ner Straße hinausblickt ähnlich der auf dem Bilde
der hl. Ursula vom Meister der Ursulalegende im
Wallraf-Richartz-Museum. Auf dreibeinigem Stulil
ein irdener Krug mit blühenden Lilien. Man
denkt plölzlich an die große Verkiindigung des
Lodhnerschen Dombilds. Rechts die Jungfrau; sie
hebt vom Buche das Antlitz und neigt es erstaunt
und voll kindlicher Weltlust dem links durch die
breite Tür eintretenden Engel zu, der ihr das
»einzigste Geschick« verkündigt; ihm, Gabriel, der
mit einer unendlich anmutig gelösten Ilandbewe-
gung sein Spruchband » Ave Maria graciaplena ...«
zu ihrom goldumflorten blonden Haupt hinüber-
flattern läßt. Köln und Niederlandvermähltensich
in diesem heiligen Freudentausch. Nochschimmert
in goldenen Partikeln der Federflaum an den Flü-
geln des Engels, das brokatene Untergewand der
ob ihres Schicksals mild Erstaunenden, das Gra-
natapfelmuster ini Fond dos Gemachcs. Unbc-
schreiblich das tiefverblaßte Inkarnat der Gesich-
ter und Hände, dies stille Veratmen der Färbung
eines von tausend Wunden todmatten Kunstwerks
der Spätblüte Kölns. Der Frau, einem sinnlich
unbefangenen Typus der Zeit, sind beide Hände
noch erhalten uncl beide Augen; dem Engel leuch-
tet noch eines. Wie es leuchtet! Und diese ITände!
Ein Königreich für diese llände. Man miißte ein
Heiligtum bauen um diesc Augen und Ilände.

Jatho

BERLIN

Kupferstichkabinett

Die neue Ausstellung des Kupferstichkabinettes
zeigt Städte und Baulen im alten Bilddruck, ein
von Architekturhistorikern viel beackertes, sonst
aber wenig beachtetes Gebiet. Vom Ende des
Ouattrocento bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
fiihrt die Ausstellung durch Baulen und Baupro-
bleme der Zeit. Im wesentlichen sind drei Grup-
pen zu unterscheiden, topographisch genaue Auf-
nahmen der Bauwerke in Beispielen von Albrecht

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