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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 4
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0143

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fell mit der berühmten Meleagrosstalue in Berlin
sehr gut vergleichbar.

Die herrliche Statue eines sandalenlösenden Palä-
striten, der auf seine Genossen hinblickt (Nr. 49,
Abb.) hat Michaelis nach den Yersen des Christo-
doros als einen sandalenanlcgenden Hermes gedeu-
tet. Sicherlich ein rhythmisch vollendetes, göttlich
ruhiges Abbild jügendlicher Schönheit. Michaelis
findet die fein detaillierte Modellierung des Kör-
pers schon über Lysipp hinausgehend, doch ist das
Werk sicherlich dem Meister selbst zuzuschreiben.
Der aufgesetzte Kopf, der antik ist, hat zwar nicht
ganz die Qualität des fast identischen, von Fagan
gefundenen Ivopfes im Britischen Museum (Graeco-
Roman Sculpt.Nr. 151), aber die feine geschmeidige
Ifaut, die Proportion des kurzen Oberleibes zudem
kleincn Kopf und den langen Beinen, die völlige
Freiheit der Bewegung und der große räumliche
Lebensreichtum in Yerbindung mit der
hohen Qualität der Arbeit deuten un-
zweifelhaft auf Lysipps Meisterliand.

Die Hennesstatue aus parischem Marmor
mit herrlicher Patina (Nr. 20) ist ein wei-
terer Schatz der Sammlung. Durch die
weiche Fiille des Körpers, die unendlich
feine Modellierung aller Übergänge, durcli
die wundervolle stoffliche Charakterisie-
rung von Haut, Haar und Mantel, vor allem
durch die Leichtigkeit und Eleganz des
Slandes gehört sie zu den Statuen des
Praxiteles, wie z. B. zum Hermes Belvedere
im Vatikan oder zum Ilermes Farnese im
Britischen Museum. Canova soll sie sogar
dem Exemplar des Vatikans vorgezogen
liaben.

Von zarter praxitelischer Feinheit ist auch
ein Hei ■nieskopf der Sammlung (Nr. 1 ß,

Abb.), der die Schönheit attischer Jugend
ebenso zauberhaft ausströmt wie etwa ein
Ghirlandajo-Porträt dcn Reiz einer adligen
Frau (Abb.).

Der Diskobolos (Nr. 61) ist nach Myrons
Diskoswerfer gebildet und behandelt so das
Problem der Verschiebung der Körperteile
während einer Drehung. Leider ist die zu-
erst entdeckte und besterhaltene marmorne
Nachbildung des Myronschen Werkes erst
(1781) gefunden worden, als unsere Statue
nach langdauernder Restaurierung schon
in England war. Daraus erklärt sich die
falsche Restauration und Ausdeutung der
Figur als Diomedes. Immerhin ist trotz
der falschen Bildung dcs rechten Armes
die Lebendigkeit der Bewegung und Kühn-
heit der momentanen Stellung eindrucks-
voll. Der Kopf ist zwar antik, aber ziem-
lich roh und brutal im Ausdruck und ge-
hörte ursprünglich nicht zur Figur.

Die Erhabenheit der Göttinnen des 4- Jahr-
hunderts wahrt die Statue der Artemis

(Nr. a4). Als dicse Göttin wurde sie von Michaelis
wegen des köchertragenden Querriemens angespro-
chen. Sie entstammt mit anderen Exemplaren,
z. B. der verwandten »Demeter« des Vatikans, dem
Kreise des Phidias und bewegt sich dementspre-
cliend in leichtcr Schrittstellung, angetan mit dem
gegürteten Peplos, durch den die Körperformen
zu spüren sind.

Eine Büste der Athena (Nr. 64) gemahnt ebenfalls
durch die Strenge ihrer Bildung und ihres Aus-
drucks an clen Ivreis des Phidias, vielleicht kommt
Kresilas als Autor in Frage. Stilistische Parallelen
wären die Athena der Villa Albani in Münchcn
und die kriegerische Kolossalstatue der Athcna von
Velletri im Louvre.

Man findet nocli den griechischon, frischen Kopf
eines Mädchens (Nr. 22) sowie dic wohl um die
Wende vom 3. zum 2. Jahrhundert entstandene

SandalenlüsenderPalästrit, auchHermesgenannt
Versteigerung der Sammlung Lansdowne am 5. Miirz
bei Ghristie, Manson & Woods, London

Lysippos.

J 17
 
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