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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 6
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Waldmann, Emil: Courbets Leibl-Bildnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0175

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COURBETS LEIBL-BILDNIS

V ON EMIL WALDMANN

Das hier zum ersten Male abgebildete und bis vor kurzem unbekannte Leibl-Porträt
von Gustave Courbet ist das einzige künstlerische Denkmal der Beziehungen zwischen
den beiden künstlerischen Waffenbrüdern, das auf uns gekommen ist. Naclidem im
Jahre 1869 Courbet den damals fünfundzwanzigjährigen Wilhelm Leibl auf der großen
Internationalen Münchner Kunstausstellung wegen seines später lange in Paris befind-
lichen Bildnisses der Frau Gedon als den »besten lebenden deutschen Maler« bezeichnet
und sich mit ihm, trotz mangelnder gegenseitiger Sprachkenntnisse, befreundet hatte,
sahen sie einander in Paris wieder. Leibl war ja, auf das Gedon-Porträt hin, von fran-
zösischen Kunstfreunden, dem Herzog Tacher de la Pagerie, einem Vetter Kaiser
Napoleons III., und der unter dem Pseudonym Juliette Braun malenden Madame de
Seaux nach Paris eingeladen worden, um das Bildnis dieser Dame zu malen. Sie be-
suchten einander oft in ihren Ateliers und Courbet brachte auch seine Schüler und
Freunde zu Leibl. Er sagte ihnen, als Leibl bei der Arbeit war: »Restez-ici«. Sie
sollten dableiben und sich das ansehen, wie dieser junge »peintre-AlIemand« ganz ein-
fach so malte, wie er, Gustave Courbet, ihnen immer gesagt hätte, daß man malen
müsse. Damals, Ende 1869 oder in der ersten Hälfte des Jahres 1870, hat Courbet den
mit der goldenen Medaille ausgezeichneten Meister des Gedon-Bildes auch poi trätiert.
Bei Ausbrucli des preußisch-französischen Krieges verließ Leibl dann sofort Paris und
das Bildnis blieb in Courbets Atelier stehen. Courbet kam bald darauf in große Be-
drängnis. Wegen seiner Teilnahme an der Niederlegung der Vendome-Säule wurde
er nach dem Sturze der Communards angeklagt und nicht nur zu einer Gefängnisstrafe
in St. Pelagie, sondern auch zur Zahlung der sehr hohen Summe von 325 000 Francs
verurteilt. Deshalb ließ Courbet alles stehen und liegen in Paris und flüchtete in die
Schweiz. Sein Vermögen wurde von der Regierung beschlagnahmt und seine ganze
Habe, auch sein Atelier mit sämtlichen Gemälden und Studien wurde von Staats
wegen öffentlicli versteigert, zufällig bei dem Kunsthändler, der mit Leibl in Be-
ziehung gestanden hatte und bei dem Leibl später, von Deutschland aus, immer seine
Bilder zeigte. Aus dieser Versteigerung gelangte das Leibl-Bildnis in die Hände der
Familie in Paris, die es vor kurzem verkaufte, nachdem es im vorigen Jahre bei der
großen Courbet-Ausstellung der Galerie Rosenberg gezeigt worden war. Es hieß im
Besitze dieser Familie immer: »Le peintre Allemand«. Leibl hatte man in Frankreich
inzwischen ein wenig vergessen.

Es ist aber Leibl. Wer sein Gesicht kennt, kann nicht daran zweifeln, selbst wenn
Courbet damals noch andere deutsche Maler sollte gemalt haben. Scholderer, der auch
mit Leibl in Paris verkehrte, sieht ganz anders aus und stand zudem im Lager Edouard
Manets. Der Blick dieser verhältnismäßig kleinen Augen unter den dicken Lidern
trügt nicht. (Das linke Augenlid erscheint in der Photographie heller als auf dem
Original.) Ungefähr um die gleiche Zeit hat sich ja Leibl in ähnlicher Kopfwendung
selbst porträtiert, allerdings mit schärferem Blick und einem verkniffenen Auge. Aber
die Hauptmerkmale stimmen überein und Courbet sah seinen Freund, mit dem ge-
sammelten und ruhigen Ausdruck, wohl »deutscher«, als der sich im Augenblick, bei
einer Ausdrucksstudie, selbst sehen mochte.

Das Gemälde, Ö1 auf Leinwand, 60,3 :47,5 cm groß, unsigniert (wie es oft bei nicht
abgelieferten Bildnissen der Fall ist), unmittelbar aus jenem Pariser Familienbesitz
dahin verkauft, ist aus dem Besitz der Galerie Abels und der Dom-Galerie in Köln
inzwischen in rlieinischen Sammlerbesitz übergegangen. Leibl, mit rötlichblondem

12 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 6

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