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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 6
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0194

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ins Auge fassenden Photographien des Afrikafor-
schers H. Bernatzik. Poglayen-Neuwall

MÜNCHEN

Das Graphische Kabinett (Günther Franke), Miin-
clien, Briennerstr. 10, eröffnet eine Ausstellung:
»Arbeitsstadien in Max Beckmanns
graphischem Schaffen«. Es wird in der
Ausstellung, die sich aus Beständen des Archivs
des Graphischen Kabinetts und der Sammlung
Reinhard Piper zusammensetzt, eine vergleichende
Übersicht von Zustandsdrucken, Probedrucken,
Handdrucken neben den endgiiltigen Zuständen
der Auflagen gewonnen. Gleichzeitig sind einzelne
Originalplatten und IFolzstöcke aufgelegt. n

PRAG

Seit der Übersiedlung in die ncuen Räume regt
sich im Kunstverein neues Leben. Gute Aus-
stellungen, Fiihrungen, Musikdarbietungen auf
Grammophon — lauter Anrufe an das Publikum,
das hier für bildende Kunst ganz besonders blind
ist.. Die sehr schöne F eininger - Ausstellung, die
Probst (Neue Kunst Fides, Dresden) für den
Kunstverein zusammengestellt hatte, wurde nur
von wenigen bemerkt. Und doch lebt in dieser
Kunst. das Vornehmste, was unsere Zeit zu bieten
hat. Ein Zufalls-Zusammen von Egger-Licnz
und Moritz Melzer, gab interessante Einsich-
ten in die Bemühungen dieser beiden Gebirgler
(jener Osttirol, dieser Böhmisches Riesengebirge),
aus eigenwilliger Kraftnatur ins ARgemeine zu
dringen. Egger-Lienz erreicht es durch Konzentra-
tion auf leicht eingängiges Pathos, das in derLinie
eingefangen und durch Summierung der Motive
verstärkt wird. Solcher Weg führt aber nur bis zu
allgemeiner Geltung — Mussolini ließ die
Mailänder Garnison vor dem Kriegsbild defiHeren!
— läuft Gefahr, in Schablone oder Plakat totzu-
laufen. Melzer bemüht sich um das Allgemeine in
letzter Vertiefung der Ich-Gefühle, die er in einer
großartig konsequenlen Durchdringung von Farbe
und Form zu realisieren sucht. Hier winkt A11 -
gemeingültigkeit, doch vor ihr droht das
Chaos oder die Cliiffre. Beido Wege führen zuletzt
in eine Art Kult, der uns bei Melzer aufrichtiger
erscheint als bei Egger-Lienz. Das Publikum war
allgemein anderer Meinung! Die »Umelecka
Beseda« zeigt in ihrer Mitgliederausstellung den
bei ihr üblichen Ton warmer Natürlichkeit und
treuer Heimatstimmung. llada ist da der besinn-
liche Führer. Bei Sedlafiek uncl Kerhart tre-
ten schöne Stimmungsmomente hinzu. Zrzavy
ergreifl durcli die reine Slille seiner neuen Land-
schaften, durch ihre tief klingende Melodie. J o -
sef Capek bezeigt in seinen letzten Bildern eine
humorgesättigte Kraft, die gerade hier ganz ausge-
zeichnet wirkt. Da ist Können und Fülilen durch
eine feine Selbstironie zu merkwürdigem Prickel
durchgeistigt.

Der »Zentralverband jiidischer Frauen« hat eine
Ausstellung jüdischcr Künstler veran-
staltet. Dr. Hugo Feigi hat sie mit viel Be-
mühung um gute Stücke zusammengestellt. Die
zeitliche Grenze nach rückwärts zog das Objekt
selbst: erst mit dem Impressionismus treten inter-
essante Malererscheinungen unter den Juden auf:
Pissaro, Israels, Liebermann, die mit gu-
ten Stücken hier vertreten sind. Aus der heutigen
Kunst manches Gute, das vor allem durch dasBei-
sammen interessiert. Da treten Rasseneigentüm-
lichkeiten, auch wenn sie keineswegs eine eigene
Kunst kreieren, doch als charakteristische Eigen-
heiten hervor: Bewußtheit, fast ängstliche Sucht
ins Konkrete, den Urtrieb kompensierend, außer-
ordentliche Geschicklichkeit, die mit einiger Selbst-
ironie persifliert wird. Manche Sonderheit also,
darunter aber keine, die ein Schöpferisches be-
griindete. Das wird durch absolute Assimilation
erstrebt, auch von dem einzigen, der im Jüdischen
Schöpferisches aufgegraben hatte: C h a g a 11. Und
gerade bei ihm führt solche Assimilation vom rein
Schöpferischen ab ins Geschmackliche. Von Pra-
gern seien erwähnt der frühverstorbene Worb,
dann Fcigl (jetzt Berlin), Schrötter, Charlotte Red-
nitz und der Bildhauer Fritz Vogel. 0. S.

PERSONALIA
PROFESSOR RICIIARD WILIIELM f
Kurze Zeit nach dem Tode Jörg Trübners hat nun
die Chinakunde einen neuen schweren Verlust er-
litlen: nach längerer Krankheit slarb 5~ Jahre aR
in Tübingen der Gründer und Leiter des Frank-
furter Chinainstitutes, Prof. Dr. Richard Wil-
helm. Ursprünglich Pfarrer, siedelte er im Jahre
1899 als Missionar nach Tsingtau über und wid-
mete sich dort hauptsächlich pädagogischer Tätig-
keit. Im Jahre igai wurde er wissenschaftlicher
Beirat der Deutschen Gesandtschaft in Peking und
gleichzcitig Professor an der dortigen Universität.
192/1 erteilte ihm die Universität Frankfurt a. M.
einen Lehrauftrag für Chinakunde und China-
forschung. Drei Jahre später wurde er dort Ordi-
narius und rief ein Chinainstitut ins Leben. Ilier
entfaltete er eine iiberaus fruchtbare Tätigkeit, die
sich mit der Sprache, Kultur und Religion Chinas
beschäftigte. Wilhelm war Ehrendoktor verschie-
dener Universitäten. K

Im Februar verstarb plötzlich in Erfurt der Ma-
ler Johannes Driesch im 29. Lebensjahre. Mit
ihm ist eine der stärksten Hoffnungen der jungen
deutschen Malerei erloschen. Driesch war zunächst
in Weimar und im letzten Jahr in Frankfurt am
Main tätig. Die Museen in Frankfurt und Erfurt
erwarben Bilder von seiner Hand. Eine Gedächt-
nisausstellung, die das gesamte Werk des Künst-
lers umfassen soll, ist in Vorbereitung und wird
Gelegenheit geben, sich eingehend mit diesem
hochbegabten Künstler auseinanderzusetzen. P.
 
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