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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 6
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0196

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KUNST-LITERATUR

RAIMOND VAN MARLE: THE DEVELOPMENT
OF TIIE ITALIAN SCHOOLS OF PAINTING.

Vol. XI. Tlie Jlague, Martinus Nijhoff. 1929.
Der vorliegende 11. Band von van Marles groß-
angelegtem Werke enthält im ganzen ungefähr die
zweite Generation der toskanischen und für Tos-
kana grundlegenden Maler des i5. Jahrhunderts.
Kapitel I ist dem Piero dei Franceschi gewidmet,
in der Erwägung, daß dessen Kunst, wenn er auch
selbst nicht Toskaner war, aus dem ganzen Zu-
sammenhang der toskanischen und speziell floren-
tinischen nicht wegzudenken sei. War er doch
Schüler des in Florenz tätigen Domenico Vene-
ziano. Die bekannten Hauptwerke Pieros, vor al-
lem seine Fresken in Arezzo erfahren eingehende
Würdigung. Bezüglich eines Mädchenprofils in
englischem Privatbesitz (Abb. 3) möchte ich ohne
Kenntnis des Stückes selbst zumindest die Frage
aufwerfen, ob ihm mit der Zuschreibung an Piero
nicht eine unverdiente Ehre widerfahre. Die Gruppe
der bekannten Architekturbilder (Berlin, Urbino
und Zugehörige) sowie die früher dem Fra Carne-
vale zugeschriebenen Gemälde der Sammlung Bar-
berini in Rom drängen nach einer Richtung, die in
vorliegendem Band nicht weiter verfolgt wird. Zu
ihrem Vergleiche müßten vielmehr siencsische und
umbrische Werke herangezogen werden.

Kapitel II ist Benozzo Gozzoli gewidmet. Die von
dem Verfasser Seite2i6 (Anmerkung) kurz er-
wähnte Predellentafel der Darbringung des Christ-
kindes im Tempel, welche ich in meiner Publika-
tion der österreichischen Kunstschätze hekannt ge-
macht habe, befand sich damals nicht in einer
»Lovy Collection«, sondern auf Schloß Frohsdorf
in Niederösterreich. Die in derselben Anmerkung
zitierte Madonna mit Engeln und ITeiligen, einst-
mals in der Sammlung Gsell in Wien, ist identisch
mit der heute im Kunsthistorischen Museum in
Wien befindlichen Tafel.

Kapitel III enthält die Besprechung der Werkc des
Alessio Baldovinetti, Graffione und Finiguerra.
Bezüglich des männlichen Brustbildes in floren-
tinischem Privatbesitz (Abb. 180) bin ich, wie ich
kürzlich in »Belvedere« Dezember 1929 dargelegt
habe, der Ansicht, daß es viel eher als Werk des
Domenico Veneziano zu gelten habe. Das Frag-
ment eines Madonnenbrustbildes mit gefalteten
ITänden, Privatbesitz Paris (Abb. i65), gehört, so-
weit ich nach Abbildung urteilen kann, eher in den
Kreis des Verrocchio, wofür man in van Marles
Buch selbst die Abbildungen 331 und 332 ver-
gleichen möge, welche Zeichnungen in Oxford und
Florenz wiedergeben. Daß bei anonymen Gemäl-
den der florentinischen Schule aus der zweiten
Hälfte des i5. Jahrhunderts sowie auch bei Kup-
ferstichen die Anglicderung an einen Kiinstler und
speziell an Baldovinetti sehr zweifelhaft bleiben
muß, beweisen die Abbildungen 181, 187, 188. Da

170

steckt schon mindestens ebensoviel von der Art
mancher anderer Künstler der Zeit mit darinnen.
Graffione ist für uns vorläufig nicht viel mehr
als ein Name. Auf den von Berenson »Meister der
Nativitä von Castello« genannten Anonymus be-
zieht van Marle noch einige weitere zerstreute Bii-
der. Den Intarsien, welcher sicher nach des Maso
Finiguerra Zeichnung gefertigt sind, reiht der Ver-
fasser noch einige weitere mit guten Gründen an.
Kapitel IV behandelt die Kunst der Brüder Anlo-
nio und Piero del Pollaiuolo. Der reichen und
vielseitigen Tätigkeit des Antonio geht der Verfas-
ser mit Sorgfalt nach. Bezüglich der allegorischen
Gestalten aus der Mercatanzia schließt er sich der
Meinung derjenigen an, welche die ganze Serie
(natürlich mit Ausnahme der Tafel von Botticelli)
dem Piero geben und nur die Vorzeichnung zur
Caritas auf der Rückseite der einen Tafel als Ar-
beit Antonios gelten lassen. Es ist aber doch nicht
zu iibersehen, daß zwischen den Tafeln Qualitäts-
unterschiede bestehen, die sich nicht nur aus dem
Erhaltungszustand erklären.. Und die Annahme
(zuerst von Ullmann ausgesprochen), daß die Pru-
denzia viel mehr als Werk des Antonio als des
Piero zu gelten habe, ist, soviel ich sehe, wenigstens
im Sinne einer Mitarbeit auch von den Heraus-
gebern dor »Geschichte der italienischen Malerei«
von Crowe und Cavalcaselle (Langton Douglas und
De Nicola, 1911) vertreten worden. Auch ist nicht
zu übersehen, daß gerade von der Gestalt der Pru-
denzia die Brücke zu den heute dem Antonio Pol-
laiuolo zugeschriebenen weiblichen Bildnissen hin-
überführt. Eine interessante Anregung ist es, wenn
der Verfasser dem Antonio das männliche Einzel-
porträt im Reichsmuseum in Amsterdam (ehemals
Oldenburg) zuschreibt, eine Vermutung, die auch
nach dem farbigen Charakter des Bildes manches
für sich hat. Im ganzen kann man sagen, daß des
Antonio künstlerische Erscheinung schärfer um-
rissen ist, als die des Piero, dem Werke allzu ver-
schiedener Qualität zugewiesen werden. Neben die
gesicherten Stücke setzt der Verfasser einige Bild-
nisse, die mir miteinander unvereinbar erschei-
nen, so die weiblichen Profile in Boston und Flo-
renz, das männliche Brustbild der Galerie Corsini
und den Galeazzo Maria Sforza der Uffizien. Für
letzteres Bild ist die seit langem iibliche Zuschrei-
hung am besten zu rechtfertigen.

Das V. Kapitel stellt die Kunst des Andrea del
Verrocchio mit Einbeziehung der meisten jener
Werke dar, die ich in Übereinstimmung mit vie-
len Forschern für Jugendarbeiten Leonardos halte.
Es ist weniger überraschend, daß die Mädchen-
büste aus Marmor im Bargello als Verrocchio ge-
führt wird, trotzdem die Stimmen von Mackowsky
und Bode, die für Leonardos Autorschaft eingetre-
ten sind, doch starkes Gewicht haben. Wenn der
Verfasser aber die Verkündigung der Uffizien
 
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