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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 6
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0197

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und das Frauenbildnis der Liechtenstein-Galerie
in seiner hohcn malerischen Yollendung demVer-
rocchio zuteilt, wo er doch in dem Engel der
Taufe Christi ganz richtig die Hand Leonardos
sieht, kann ich ihm hierin nicht folgen. Die end-
gültige Feststellung, was von Madonnenbildern auf
die eigene Hand des Verrocchiozurückgehe, welche
Altargeinälde als von seiner Hand gefertigt, welche
auf seiner Zeichnung beruhend anzusehen sind,
welche Werke endlich nur ganz allgemein dem
weiteren Schulkreise angehören, wäre wohl eine
dankenswerte, wenn auch nicht leicht zu lösende
Aufgabe. Sicher scheint es mir, daß wir mit der
Madonna mit Engeln der National Gallery, welche
van Marle als dem Meister nahestehend bezeichnet
(Abb. 345) schon aus dem Erfindungsbereiche des
Verrocchio heraustreten und vielmehr uns in dem
des Botticelli befinden.

Das kleine Bild im Louvre, die stehende Madonna
vor der Nische mit anbetenden und musizierenden
Engeln (Abb. 347; halte ich kaum für florenti-
nisch. Es erschien mir als viel näher dem Lorenzo
da Sanseverino verwandt.

Kapitel VI faßt einige ungefähr dieser Generation
angehörige florentinische Maler zusammen. Es ist
von Cosimo Rosselli, Zanobi Macchiavelli, Giusto di
Andrea Manzini und dem Schüler des Fra Filippo
Lippi, Fra Diamante, die Rede. Natürlich ist auch
dieser Band durch eine Menge guter Beobachtun-
gen und Heranziehung weit verstreuten Materials
interessant.

Die Ausstattung, Auswahl und Qualität der Abbil-
dungen sind von der bekannt vorzüglichen Art.

W. Suida

GEORGE F. HILL: DESSINS DE PISANELLO.
Choisis et reproduits avec introduction et noti-
ces. Paris et Bruxellas. Les Editions G. Van Oest
i9 29-

George F. Hill ist der gelehrte Konservator der
Münzen und Medaillen im Britischen Museum und
hat bereits vor 2 5 Jahren sein erstes Buch über Pi-
sanello veröffentlicht, das eine Chronologie der
Werke des Künstlers unternahm und, obwolil es
den Hauptnachdruck auf den Maler und Medail-
leur legte, doch auch bereits das zeichnerischc
Werlc als Hilfsmittel der chronologischen Ordnung
mit heranzog. Er ist seitdem diesem Spezialthema
treugeblieben, und man darf ihn heute einen der
besten Kenner der italienischen Medaille, aber
auch des Pisanello nennen, der ja immer zu den
ganz Großen der Frührenaissance zählen wird, in
der Universalität seines Könnens ein direkter Vor-
läufer Lionardos. Dieser seltsame Veroneser, der
uns als Maler neben einem knappen Dutzend Al-
tarbildern vor allem das köstliche Fresko mit dem
hl. Georg in St. Anastasia in Verona und die etwas
frühere Verkündigung in S. Fermo ebenda hinter-
ließ, hat seine Vielseitigkeit vor allem in seinen
Skizzenbüchern erhärtet und ist als Zeichner eine

der einzigartigsten Erscheinungen, die dasQuattro-
cento erlebt hat. Den Hauptschatz dieses Erbes
bewahrt heute der Louvre aus der früheren Kollek-
tion Vallardi, die x856 nach Frankreich kam xmd
deren Hauptbestand neben anderen die Zeichnun-
gen Pisanellos sind.

Zuerst hat Guiffrey das zeichnerische Werk Pisa-
nellos im großen zu ordnen versucht in der von
Venturi besorglen Ausgabe der »Vita del Pisa-
nello« von Vasari (1896). Spätere Bearbeiter, die
sich dem gleichen Tliema zugewandt, haben eher
Verwirrung gestiftet, xmd bis heute hat es nach der
durch den Krieg zum unverhofften Stillstand ge-
kommenen Veröffentlichung, die die Societe fran-
caise de Reproduction des Dessins de Maitres be-
züglich Pisanello und seiner Schule unternahm,
an einem richtigen Katalog dieser Zeichnungen ge-
fehlt; ja in der zuletzterwähnten Veröffentlichxmg
sind gerade die Kostbarkeiten des Louvre zum Teil
völlig übersehen worden. Ein ordnender Index ist
zu dieser Veröffentlichung xiberhaupt nicht er-
schienen.

Man sieht, Ilill unternimmt die ebenso wichtige
wio dankbare Aufgabe, zunächst einmal dcn Be-
stand des Louvre an Arbeiten Pisanellos zu sich-
ten, aber er möchte damit weniger dem Kunst-
gelehrten von Fach dienen, vielmehr einem wei-
teren Kreise die Höhe dieser bisher noch vielzu-
sehr vernachlässigten Kunst nahebringen. Ein Ziel,
aufs innigste zu wünschen.

Dies verdienstvolle Werk nämlich dürfte zuerst
immer noch die Fachgelehrten beschäftigen; denn
wie Hill nach einem kurzen biographischen Abriß
auseinandersetzt, herrscht weder im ITinblick auf
die Attributionen noch die chronologischc Ordnung
der Arbeiten Pisanellos, und zwar nicht nur der
Zeichnungen, Übereinstimmung, und manche Be-
denken, die Hill gewissen Bestimmungen gegen-
über geäußert, scheinen mir sehr berechtigt. Wie
weit die Unsicherheit im allgemeinen geht, beweist
eine neuere Veröffentlichung von Calabi, der alle
Medaillen — bis auf drei — kurzer Hand dem
Pisanello abspricht und Nachfolgern oder Fäl-
schern späterer .Tahrhunderte zuweist. (»Le mas-
sacre est sans analogue dans Thistoire de la criti-
que« Ilill.) Bei den Zeichnungen freilich liegt der
Fall nicht ganz so kompliziert. Handschrift und
Technik reden eine sehr charakteristische Sprache
und auch der zeitlichen Fixierxmg sind gewisse
Ililfsmittel geboten, ja, wo diese nicht ausreichen,
wird bei beschrifteten Blättern sogar die Dialekt-
bestimmung zur Lokalisierung mit herangezogen.
Diese von Hill durchgeführte Untersuchung aller
Momente, die für Zuschreibung und Datierung
maßgebend sind, ist als Leistung in jeder Bezie-
hung vorbildlich. Sie überträgt sich gewissermaßen
deduktiv auf die Untersuchung jedes einzelnen die-
ser auf insgesamt 64 Tafeln reproduzierten Blät-
ter, die sich nicht ausschließlich auf den Louvre-
besitz beschränken. Auch scheint die Auswahl im

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