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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 6
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0199

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Adriaen Hanneman Knabenbildnis

Versteigerung von Gemälden aus verschiedenem Besitz am 1. April bei Rud. Lepke in Berlin

europäisch-wissenschaftlicher Schulung schreibt
über die Kunst seiner Heimat in deutschcr
Sprache, so, wie er sie gesehen haben möchte. Er
hemüht sich, sie aus japanischem Geiste hcraus
mit europäischer Terminologie und vom Stand-
punkt europäischer Ästhetik aus zu schreiben.
Handhabe und Schlüssel zum Verständnis seincr
Ausführungen gibt ihm vor allem die deutsche
Ästhetik, die er als Grundlage seiner eigenen be-
nutzt. Der Grundbegriff, unter den er alle Er-
scheinungen der japanischen Kunst, sei es dio l)il-
dende Kunst, sei es die Kunst der Naturgestaltung
(Gartenkunst, Topfpflanzenkunst, Kunst des Blu-
mensteckens), sei es Dichtung oder Musik, zu ei’-
fassen sucht, ist der von ihm gefundenc Begriff
der Rahmenlosigkeit. Das mag auf den ersten
Blick überraschen, trifft aber den Kern und die
Gesetzlichkeit der japanischen Kunst aufs beste.
Tsudzumi versteht unter Rahmenlosigkeit das der
europäischen Kunst gegenüber unveränderliche
und der japanischen Kunst immanente Postulat,
ein Kunstwerk nicht isoliert zu gestaUen, erfüllt

von eigencm Lehen, herausgehoben aus der AR-
täglichkeit, sondern als Stück des unbegrenzten
Lebens und der Wirklichkeit selbst, aRes im Sinne
einer pannaturalistischen Kunstanschauung. Un-
ter diesem Gesichtspunkt betrachtet er, was für
eine Kunstgeschichte ganz ungewöhnHch ist, im
ersten Abschnitt die „Kunst der NaturgestaRung“,
die nicht nur die Gartenkunst, Topf'pflanzen-
kunst und die Kunst des Blumensteckens — die
beiden letzten Künste sind dem Europäer beson-
ders fremd —, sondern Naturmalerei, Kunstge-
werbe und Naturdichtung urnfaßt. Mit großer
spracldicher Anschaulichkeit versteht es Tsudzumi,
das Ilinüberglciten des japanischen Gartens in die
Landschaft, des buddhistischen Tempels in den
Garten und anderes darzusteRen. In zwei weite-
ren Ivapiteln deutet er mit Hilfe des Begriffes
„Rahmenlosigkeit“ die „reHgiöse“ Kunst in Archi-
tektur, Plastik, Malerei und Dichtung und die
Kunst der „Lebensgestaltung“ in Malerei, Dicht-
kunst, Schauspielkunst, Tanz und Musik. Ausge-
zeichnet, was er über die buddhistische Plastik,

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