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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 7
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Kuhn, Alfred: Vier polnische Plastiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0223

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Jan Szczepkowski

ein körperliches Schauen. Ihr Atem berührt im Kuß das noch nicht vorhandene Wesen.
In stummer Prozession wandeln sie dahin, den Kopf demutsvoll geneigt, wie die Marien
auf den mittelalterlichen Bildern, wenn der Engel ihnen das Mirakel verkündet. Selten
nur trifft sie die Mutterschaft, daß sie aufschreien müssen in Leid und sich winden in
Qual. Es ist Schicksal, unfaßliche, göttliche Bestimmung, über das man immer wieder
nachdenken muß. Dunikowski hat niemals jene Ekstatik der Liebesbrunst geschildert
wie Rodin, auch nicht die Last des Fleisches wie Munch und sein Kreis; für ihn stellte
des Lebens Sinn sich in der Mutterscliaft dar, in der sich alles Trübe verklärt.

Für diese Vergeistigung der Materie fand er den Ausdruck in einer steigenden Ver-
einfachung der Form, sich stilistisch berührend mit Minne und der deutschen Bild-
hauerin Emy Roeder, wie sein Biograph Mieczyslaw Treter sehr richtig herausgefunden.
Er entging dadurch der Unplastizität Lehmbrucks, dessen Skulpturen sich am Ende in
Luft und Nebel auflösen mußten. Die Flächen werden verbreitert, die Verhältnisse
ausgeweitet, die einzelnen Kuben groß nebeneinander gestellt. Dabei wird ein durch-
aus spürbares Gerüst mit energisch gesetzten Akzenten tektonischer Art beibehalten.
Die eben beschriebene Skulptur stellt Dunikowskis Stil etwa bis zum Kriege dar. Aber
schon am Ende dieser Periode wird die monumentale Tendenz bei ilim deutlicher. Es
war jetzt keine radikale Stiländerung notwendig, da starke tektonische Grundelemente
nie verlorengegangen waren. Die Vereinfachung der Formen veränderte sich daher
nur in derRiclitung. Einflüsse aus der Holzskulptur kommen hinzu. Waren diePlastiken
früher geknetet, so sind sie jetzt geschnitzt. Daneben wird viel aus dem Stein gehauen
für Aufträge der Architektur. Pariser Einflüsse treten auf. Dem Zug zur archaischen
Skulptur, den in den Kriegs- und Nachkriegsjahren so viele Bildhauer mitmachten,
folgte auch Dunikowski, um ihn jedoch glücklicherweise wieder zu überwinden.

Von ganz anderer Art ist Edward Wittig, geboren 1879 in Warschau. Seine Anfänge

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