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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 8
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Sydow, Eckart von: Ahnenfiguren aus Französisch-Äquatorial-Afrika
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0245

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rechten Winkel zueinander biegen und unten
sich wieder vereinigen, so daß sie ein un-
regelmäßiges Viereck oder auch Dreieck um-
schließen und unten mit einem kurzen, dicken
Ende aufstehen. Oder aber jene heiden Arme
schließen sich, in seltenen Fällen, mülieloser
zur einfachen Rundung zusammen. Wie man
solche Viereck-, Dreieck-, Kreisbildung auch
deuten möge, als Arme oder Beine, in jedem
Falle fehlt der eigentliche Körper voll-
kommen, — man kann von Kopffüßern spre-
chen. Ich habe sie daher in meinem »Hand-
buch der Westafrikanischen Piastik« 1 kurz als
»Kopffüßer« bezeichnet.

Innerhalb dieses Schemas gibt es verschiedene
Varianten. Zumeist wird das Gesicht von zwei
Seitenscheiben flankiert, die dem ab- und zu-
nehmenden Monde gleichen und von einer
gleichartigen Scheibe bekrönt, die einem quer-
gestellten »Napoleonshut« ähnlich sieht. Die
Bildung jener »Mondsicheln« ist wiederum
in sich verschieden: zumeist enden sie unten
in ldeinen, runden Zapfen, oder sie biegen sich
volutenhaft etwas nach oben und außen. Der
»Napoleonshut« reduziert sich manchmal zu
schmalen viereckigen Aufsätzen, manchmal
bereichert er sich aber auch durch kleine Zäpf-
chen, die am Außenrande vorstehen und ihm
das Aussehen eines Strahlenkranzes geben, —
oder er schließt sich auch wohl mit seinen
Spitzen nach unten hin mit den Seitensicheln zusammen, so daß dies ganze Gebilde
ein ebenso großartiges wie verhältnismäßig kompliziertes Gefüge erhält.

Die Gesiclitsfläclie zeigt größere Typenunterschiede. Da gibt es solche, die ganz
flach sind und einzig die Nase vorragen lassen, oder solche, deren ganzes Oval nach
innen gebogen ist (oft mit senkrecht durchlaufendem Mittelwulst), oder solche, die das
menschliche Gesicht mit vorspringender Stirn naclizubilden suchen. Im einzelnen
schwankt der Reichtum und der Ausdruck der Gesichtszüge. Regelmäßig werden Auge
und Nase dargestellt, selten wird der Mund angedeutet und nur in ganz vereinzelten
Fällen so realistisch gegeben, wie dies bei den meisten afrikanischen Figuren üblich
ist: offen mit drohenden Zahnreihen. Die Ohren werden anscheinend nur bei dem
kleinformatigen Typus angesetzt. In den weitaus meisten Fällen ist die Plastizität ge-
ringfügig, •— ganz vereinzelt zeigt sich das Gefülil für kubische Struktur.

Vielfach treten die Figuren als Janusköpfe auf: auf beiden Seiten zeigen sie ein ver-
schiedenes Angesicht. Dort aber, wo es sich um einfache Gesichtsbildungen handelt,
trägt die Rückseite ein ziemlich einheitliches Gepräge, falls sie nicht ganz glatt bleibt:
es erhebt sich ein hoher, rhombushaft geformter Wulst, vielfach noch mit einigen
Rillen u. dgl. ornamentiert, der bei einzelnen Exemplaren nach unten lrin frei in die
Luft ragt. Dieser Wulst ist wagerecht durchbohrt, vermutlich um mit Hilfe eines
Querstäbchens Büsche von Vogelfedern anzubinden.

1 Verlag Dietrich Reimer, Berlin, 1930 (S. 336, 438 ff.).

Ahnenfigur mit Januskopf
Paris, Sammlung Bela Hein (67 : 56 : 12 cm)

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