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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 8
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0264

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biJd, durch die Wahrung der Persönlichkeit in
ilirer wirklichen sozialen Stellung vom Genrebild
sicli unterscheidend, wurde dieser Bildtyp schon
im Holland des 17, Jahrhunderts (von Jan Mole-
naer, Dirk Ilals, Buvtewech, Maes, Ochtervelt, Net-
scher u. a.) gepflegt und auch dann und wann in
Frankreich (von de Troy und Carle van Loo z. B.)
bevorzugt. Aber das England des 18. Jahrhunderts
führte, begünstigt von der politischen und wirt-
scllaftlichen Entwicklung, das Konversationsslück
zu einem Ilöhepunkt seiner Entwicklung undüber-
lieferte uns in dieser Bildform ein vollendetes Ab-
bild der damaligen liöheren Gesellschaftsschicli-
ten, der führenden Politiker, Ilandelsherren und
Geldmagnaten, der berühmten Kleriker, Schau-
spieler, Schriftsteller und Sportsmänner.

Mit Hogarth, der den Geist großer Malerei in
kleinmeisterliche Bildform hineintrug, begann die
recht eigentlich englische Entwicklung. Denn der
ältere John Marcellus Laroon wandelte
noch, wie das Bild eines »Bettlers, einen Herrn
und eine Dame um Almosen bittend« beweist, in
den Bahnen Watteaus und auch Joseph Fran-
cis Nollekens, Antwerpener von Geburt, aber
schon 1733 in London, geht mit seiner »Musik-
gesellscliaft« wie Mercier noch nachahmend den
Weg der französischen Meister.

Ilogarth aber, auch im persönlichen Leben ein
Feind alles Frcmden, gibt dieser Bildgattung das
typisch englische Gepräge und führt sie zugleich
auf einen ersten Höhepunkt. Yon Daumierscher
Freiheit der Behandlung und Erfassung des Mie-
nenspiels ist sein »lachendes Publikum« aus dem
Besitz von L. C. Lewis, von gewohnter Genauig-
keit und Feinlieit seine »Cholmondeley Familie«
des Marquess of Cholmondeley und seine »Studie
für einen Maskenball« der South London Art Gal-
lery. Von den Schauspielbildern wäre eine Szene
aus »The Beggars Opera« im Besitz des Duke of
Leeds zu nennen, am großartigsten aber in Auf-
bau, Durchführung und Beseelung ist sein Bild
einer Vorstellung des Theaterstückes von Dryden,
die »Eroberung Mexikos« genannt. Dieses Bild,
der Countess von Ilchester gehörend, hat aucli auf
der vorjährigen Ausstellung englischer Malerei in
Brüssel das größte Aufsehen erregt.

.1 o s e p h H i g h m o r e kommt Hogarth nahe in
seinem »Grünen Saal« bei Lord Glenconner, wäh-
rend Francis IlaYman in dem »Familienbild«
beim Viscount Lee of Fareham sich als steifen,
liarten und langweiligen Nachahmer des großen
Meisters zu erkennen gibt.

Für S i r .1 o s h u a B e y 11 o 1 d s u n d T h o -
mas Gainsborough, die Größen der fol-
genden Generation, war das lebensgroße Porträt
die gewohnte Bildform, immerhin bringt die Aus-
stellung aucli glänzende Versuche auf dem Ge-
l)iet des Konservationsstiickes. Ersterer schuf in
der Vereinigung »einiger Freunde des Künstlers«
(Besitzer: Mr. Julian Lousada) ein feines, witziges,

skizzenartig gemaltes Bild, von letzlerem hingegen
stammt das »Menuett« (Besitzer: Leutnt.-Col. Gi-
les H. Loder) sowie das in Brüssel bewunderte
Doppelporträt von »Bobert Andrews und Frau«
in einer prachtvollen Landschaft (Besitzer: Mr.
G. W. Andrews).

Auf einen weiteren Gipfel wurde unsere Bildgal-
tung durch John Zoffany geführt. Dieser Mei-
ster, eigentlich Deutscher von Geburt, aber in sei-
nem Kunstcharakter ganz englisch, bildet mit
57 Werken den Mittelpunkt der Äusstellung. Zu
Recht, denn wenn aüch Zoffany nicht über die
Palette eines Hogarth oder Reynolds verfügte, so
wußte er doch in den unzähligen Konservations-
stücken, clie ihm in Auftrag gegeben wurden, im-
mer neue Arrangements zu ersinnen und jedem
Motiv eines Bildes hohen dekorativen Effekt abzu-
gewinnen. In der Qualität seines Vortrags sehr
unterschiedlich, wirkt er manchmal wie in dem
Bilde des »Duke of York und seine Freunde« der
Miß Boothby langweilig und kraftlos, während
andere Arbeiten, wie »die Familie des Sir Wil-
liam Young« im Besitz von Sir Philip Sassoon von
einer anschaulichen Erzählungskunst, von feinem
Farbensinn und brillanter Technik zeugen. Als be-
sonders interessante Werke von seiner Hand seien
folgende Bilder aus der Fülle herausgegriffen:
»Mann und zwei Jungens mit einem Drachen«
(Besitzer: Messrs. Herbert), »Mr. Bennett« (Be-
sitzer: Sir Philip Sassoon), »Graf und Gräfin
Cowper mit der P'amilie Gore« (Besitzer: Lady
Desborough), »Charles Townleyund seine Freunde«
(Besitzer: Major Lord O’Hagan) und »Herr und
Frau Palmer mit Tochter« (Besitzer: Hon. Fre-
deric Wallop).

Die künstlerische Höhe seiner Bilcler mag man ab-
messen im Vergleich mit dem etwas älteren, in
England geschätzten Artliur Devis, der in sei-
nen Bildern, wie in den »zwei kleinen Fräulein
Edgars« des \iscount Bearsted eine talenllose Ang-
lisierung des späten Netscher-Stiles vornimmt,
George Stubbs und der spätere Ben Mar-
shall, die Hauptmeister der Jagd- uncl Tierdar-
stellung, sincl mit meisterhaften Arbeiten auclx
unter den Konversationsstücken vertreten, Stubbs
mit dem Bild des »Colonel Pocklington und Fami-
lie« cler Mrs. Carstairs sich gleicherweise als guter
Porträtist und Landschafter erweisend.

Während George Morland, Ilowlandson,
II e n r y W a 1t 0 n und I' r a n c i s W h e a 11 e y das
Genrehafte auf Kosten des Porträthaften in den
Vordergrund rücken, bleiben John Hamilton
Mortimer und John Singleton Copley,
malerisch weit weniger begabt, dem Bildtyp Zof-
fanys treu. Doch kann Copley in seiner »Sitwell
Familie« des Captain Isbert Sitwell trotz seiner
impressionistiscli-oberflächlichen Malweise eine
modellmäßige Steifheit der Bewegungen nicht
überwinden.

Charles Robert Leslie, dessen bestes Bild

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