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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 9
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Schneid, Otto: Amédée Ozenfant, der Maler des Purismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0281

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Abb. 2. Amedee Ozenfant Komposition. 1924

und Wirklichkeit keine Weiterentwicklung geben konnte. Während die Neue Sachlich-
keit als natürliche Reaktion auf die vorangegangene Auflösung der Form und des
Gegenstandes jene festigt, diesen aber geradezu primitiv in seine früheren Rechte ein-
setzt, während anderseits dem Kubismus, der die Form an sich meinte, der Gegenstand
mehr Hemmung als Förderung war, sucht der Purismus die absolut klare, durch Ein-
fachheit vollendete Form an entsprechenden Gegenständen. Ein inbrünstiges Welt-
gefühl, wie es uns am künstlerischen Schaffen der Vergangenheit ergreift, erfährt hier
nicht Bekenntnis durch Wiedergabe: es steigt in die schlichtesten Dinge hinab, um in
ihnen gebändigt und gewandelt ganz Objekt zu werden. An Flaschen, Vasen, Krügen,
Gläsern, an der saubern Präzision ihrer Durchbildung offenbart sich ein objektiv ge-
sinnter Geist von unvergleichlich strenger Selbstzucht, eine Persönlichkeit, die sich
nicht reproduzieren, sondern restlos Werk werden will. Das Chaos des Daseins zu
straffer Ordnung zu läutern, aus der problematischen, vielfältig bewegten Wirklichkeit
in die Einheit und reine Ruhe des Bildes zu führen, ist eine künstlerische und un-
zweifelhaft auch menschliche Tat, die eine tiefe Erlösungstendenz erkennen läßt. In
der Sprache der Malerei verkündet der Purismus den Gedanken der Entwirrung, der
Reinigung und des Einklangs.

Die Persönlichkeit, die sich und uns zu einem so überpersönlichen Werk erhebt, ist
Amedee Ozenfant. Nordfranzose, 1886 zu Saint-Quentin in der Pikardie geboren,
lernte er früh den Süden als Schule der Farbenreinheit kennen und lieben. In seiner
Geburtsstadt studierte er an der noch von Quentin la Tour begründeten und nach ihm
benannten Akademie, in Paris eine Zeitlang Architektur an der Ecole des Beaux Arts,
dann Malerei allein an der Academie la Palette, wo Blanche, Cottet und Desvallibres,
bei denen gleichzeitig auch Segonzac und der früh verstorbene La Fresnaye lernten,
ihre Schüler zur Selbständigkeit erzogen. In Italien und noch mehr in Holland mag
Ozenfant bestimmende Eindrücke empfangen haben; Rußland, wo er drei Jahre lebte,

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