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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 9
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Schneid, Otto: Amédée Ozenfant, der Maler des Purismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0284

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Abb. g. Amedee Ozenfant Die Vier Rassen. 1928

in der er, da wir nun einmal Mensclien sind, den wertvollsten Gegenstand der Ma-
lerei erblickt. Aber er weiß die am Anorganisclien geläuterte Objektivität, die große
Schlichtheit und die Wucht der einfachsten Form, den Verzicht auf alles Billige und Ge-
fällige auch auf seine Menschengebilde zu übertragen. So ergibt sich in »Les quatre
races« (Abb. 5) eine neue Monumentalität, deren äußere Konsequenz das große Format
ist (5 : 5,50 m). Als erstes einer Folge von sechs Gemälden gedacht, welche die Mensch-
heit, das Pflanzenreich, das Mineralreich (Entwurf für einen Teppich), die Kunst, die
Industrie und den Raum (an der Decke) darstellen sollen und für einen einzigen Raum
bestimmt sind, gibt es, wie die außermenschlichen Darstellungen des Künstlers, keines-
wegs Bewegung und Jüandlung, sondern ein fest in sich ruhendes reines Sein. Die selt-
same Urwüchsigkeit der Gestalten macht auch Ozenfants besonderen Blick für die
paläolithische Kunst, die er in seinem letzten Buche wiederholt bewundert, begreiflich;
auch dort sind es die elementaren, überindividuellen »Konstanten«, denen seine Kunst
zustrebt.

Schließlich sucht Ozenfant für die übliche Modellierung, auf die er verzichtet hat,
ein anderes technisches Mittel einzusetzen. Allem Illusionistischen abhold, zieht er zur
Modellierung durch einen reliefmäßig pastosen Auftrag das wirkliche Licht heran,
dessen wechselnde Wirkungen uns das Bleibende verdeutlichen sollen (Abb. 6). Ob sich
solche Versuche als entwicklungsfähig erweisen oder nicht, es sind jedenfalls Etappen
auf dem Wege eines Künstlers, der wie die Großen der Vergangenheit sich höhere
Ziele gesteckt hat als ein Menschenleben erreichen kann. Und das ist gut. Denn den
Konstanten nicht nur nahe kommen, sondern sie wirklich finden, hieße der Malerei,
die ihre Sendung noch lange nicht erfüllt hat, ein Ende bereiten.

Einer Definition der Malerei: »Organisation des phenomenes optiques, afin de creer
des etats de sensation, lesquels provoquent des associations et par ce chemin des senti-
ments et des idees« fügt Ozenfant hinzu: »La bonne peinture eleve«. Darin dürfen
wir ihm und seiner Kunst vorbehaltlos zustimmen.

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