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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 9
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0288

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Rotterdam. Aus der Sämmlung van Riemsdyk die
Landschaft von 1548 mit einem Martyrium von
Lancelot Blondeel. Dr. Hofstede de Groot liatte
gleichfalls seine Beteiligung zugesagt; seine Zu-
stimmung traf am selben Tag in Antwerpen ein,
als dort die Nachrieht seines plötzlichen Todes he-
kannt wurde.

Aus Antwerpen selber wird das Museum Mayer
van den Bergh die »Dulle Griet« von Pieter Brue-
gel zur Verfügung stellen, außerdem zwei Mel-
chior Broederlam zugeschriebene Tafeln.

Ferner erwartet man Beiträge aus den Museen in
Prag, Kopenhagen, Stockholm, Chicago (Bildnis
von Massys), aus dem Escorial die berühmte,
oft kopierte Kreuzabnahme des Roger van der
Weyden, die König AlfonsXIII. schicken wird,
und aus Schloß Raudnitz die Ileimkehr von der
Ernte von Pieter Bruegel.

Für die Runstwerke stehcn in der neuerbauten
Schule, die erst nach Schluß der Ausstellung ihrer
Bestimmung zugeführt werden wird, zwölf Räume
zur Verfügung, darunter ein großer Saal, der als
Ehrensaal die Hauptwerke umfassen wird. Diezen-
tral gelegenen Räume werden die Gemälde beher-
bergen, während die außen sich anschließenden
Räume dcn Handzeichnungen und der Grapliik
vorbehalten sind.

Der Einlauf der Gemälde soll zwischen dem io.
und i5. Mai bcginnen. Die feierliche Eröffnung
findet am Nachmittag des 3i. Mai statt.

L. Burchard

BERLINER AUSSTELLUNGEN
»DerMensch unsererZeit«/ ModerneBild-
wirkereien / Gropius / Th. Th. Heine

Unter der nicht ungeschickten Dcvise »D e r
Mensch unserer Zeit« liat die Deutsche
Kunstgemeinschaft inx Schloß gruppenweise
Porträts bekannter Leute, Sportdarstellungen, Bil-
der des Arbeiterdaseins, Berufstypen, Schilderun-
gen des städtischen Lebens in Lokalen, Geschäf-
ten usw. zusammengehängt. Derlei tliematische
Ausstcllungsprogramme werden wir immer begrü-
ßen. Sie regen die Schaffenden an, locken sie aus
dem gewohnten Motivkreis, und sie scheinen auch
geeignet, der Malerei wieder ein Publikum zu ge-
winnen. Eine neue Genrekunst ist im Werden. Es
kann sich durchaus fruchtbar erweisen, ihr öf-
fentlich Aufgaben zu stellen. Freilich wird es auf
eine schärfere Präzisierung und straffere Durch-
führung des Programmgedankens ankommen. Hier
war man noch reichlich weitherzig und ließ vieler-
lei gelten. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der
stofflichen Belebung wäre A. W. Dreßlers kräftig
ausgeprägte Schachpartie Bogoljubow-Rubinstein
anzumerken, Netzbands hurtige Konditoreiszenc
mit dem Sextett blitzblau uniformierter Kellne-
rinnen, Imre Goths vielköpfig besetzter Unter-
grundbahnwagen, Heitmüliers reizvoller Dünen-
sektor, den die Strand-Kompanie bunt ausfüllt,
sein eigen zugeschnittenes »Orchester«. Durch ihre

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kompositorische und tonliche Vornehmheit be-
stechen die beiden , stillen, abendschweren Men-
schengruppen von llse Häfner-Mode und Hans
Steiners in stumpfen Grauflächen fein und be-
herrscht aufgebautes Bild »Die hlauen Fische«. An
den fahlen, von Sorgen zergrabenen Proletarier-
gesichtern Otlo Nagels kommt man nie ohne ein
Innehalten der Betroffenheit vorbei; seiner kar-
gen Malerei ist selten etwas Wahrhaftigeres gelun-
gen als die stumme Blässe dieser Mutter mit ihrem
kellerfarbenen Kinde. Von Bernhard Klein und
Ima Breusing finden sich höchst anmutig staf-
fierte Badestrandaspekte, unler den Bildnissen fällt
das große, umrißflott und bestimmt vor den
schwarzen Grund gesetzte moderne Mädchen von
Sagrekow besonders auf.

Im Lichthof des ehemaligen Kunstgewerbemu-
seums zeigte der Dessauer M.useumsdirektor Lud-
wig Grote eine ungewöhnlich inleressante Zu-
sammenstellung Moderner Bildwirkereien.
Überraschend diese Vielfalt künstlerisch sehr ent-
sehiedener und ausgeprägter Leistungen. Weniges
nur nach und von bekannten Malern: ein Figuren-
gobelin nach Schmidt-Rottluff wirkt übersetzt,
dennoch energisch und yoll, Kirchners Teppiche
farbig noch satter, webgerechter in dcr Zeichnung,
nur etwas bemustert; demgegenüber die großflä-
chig-asymmetrisch gefelderten Smyrnas nach Ent-
würfen von Leger, Marcoussis, Arp. Der bedeu-
tendste Eindruck: die weitkurvig und monumental
aut’ schwarzen oder sackgrauen Grobgrund ge-
brachten, linienkühn geschlungenen Gestalten von
Johanna Schütz-Wolff. Eine eigene, derjenigen
Campendoncks vielleicht vergleiclibare Formen-
welt verbindet sich textilen Urwirkungen in kla-
rem und lebendigem Spiel von Fakturkontrasten
und wef'hselnd glatten oder körnigen Überschnei-
dungsprodukten. Nach so manchen mißglückten
Versuchen der Fresko-Erneuerung eine wirklich
starkc und durchaus nicht retrospektive Wand-
bildkunst. Verwandt in ihrem derben, festen Stoff-
charakter die Gewebe von Hablik-Lindemann, vor
alleni der blauäugige Korallenbaum. Dann die fei-
nen, raffiniert gewirkten, seidigen Gobelins von
Ililde Iiantsch und Ilse Mögelin, besonders deren
silberdurchsponnener, lilagrau verschwebender
Traumteppich. In sublilen Schwarzweiß-Architek-
turen, immer wollige und seidige Schichten gegen-
einander ausspielend, kennzeichnet sich Gunta
Stölzl-Sharon; wie sie aus Dessau Emil Hartwig
rnit kleinen weiß in weiß hinschwingenden Lancl-
schaftsabstraktionen, deren kostbar differenzier-
tes Gewirk zierliche Fadenharfen durchbrechen.
Und noch manclie eigenartige, den speziellen Mög-
lichkeiten der Technik erfinderisch folgende Ar-
beit. Zwei Proben nur aus dem Nachbargebiet
der Bild s t i c k e r e i: die märchenhafte Vegetation
der »Gärten ohne Jahreszeiten« von Lilli Vetter
und die bilderlottoartig uncl vergnügt plaudernden
Kinderzimmerbehänge von Ruth Citroen-Valentin.
 
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