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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 10
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0320

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unvermeidlichen Enge des damals geltenden, vor-
wiegend historisch orientierten Standpunktes war
ftir weite Strecken der Arbeit das einzige, was an
brauchbaren Vorarbeiten vorlag. Somit galt es, die
Materie völlig neu zu sichten, zu gliedern und zu
ordnen. Den Ausgangspunkt der Darstellung bildet
die Spätantike, die über die Marken ein ziemlich
dichtes Netz beachtenswerter Kunstwerke auf dem
Gebiete der Relief- und Sarkophagplastik, des
Fußbodenmosaiks usw. ausgestreut hat. Sie wird
zur Grundlage für die sehr zögernd und verhält-
nismäßig spät einsetzende Entwicklung des frü-
hen Mittelalters, die dann plötzlich schon vor der
Jahrtausendwende in der Architektür eine Reihe
bedeutsamer, so gut wie unbekannter ßauwerke
hervorbringt. Hier sind es Denkmäler, wie die
Pieve von S. Leo und die ein Jahrhundert später
enlstandene reich gegliederte Kirche von S. Maria
di Portonuovo bei Ancona, in denen sich trotz der
Abhängigkeit von dem für ganz Europa geRenden
streng romanischen Kirchentypus ein durchaus
selbständiges Forrn- und Raumgefühl äußert.
Nicht weniger wichtig und wertvoll für die Fach-
wissenschaft ist die zum erstenmal unternommene
annähernd Rickenlose ZusammensteRung der un-
geahnt zahlreichen Stücke und vorwiegend ausKir-
chen stanuuenden Überreste der romanischen und
golischen Skulptur, die zunächst von toskanischen,
dann von venetianischen Anregungen lebend, ge-
gen Ende des 14-Jahrhunderts soweit zu selbstän-
digem Leben erstarkt, daß sie in der Portalplastik
der kirchlichen Bauten von Pesaro und Fano eine
regionale BRite von freilich nur sehr kurzer Dauer
hervorbringen kann. In der Malerei liegen um die-
selbc Zeit die beiden Einflußsphären von Rimini
im Norden und des kleinen Kunstzentrums von
Fabriano im Südwesten im Kampfe um die Vor-
herrschaft, ohne daß es einer dieser beiden Rich-
tungen gelänge, eine absolute Geltung in dem Ge-
biete der Marken zu gewinnen. Die schönen Fres-
ken der Baronzio-Werkstatt in Tolentino und die
wohl von Allegretto Nuzi abhängigen Wandmale-
reien der Kirche von S. Croce in Sassoferrato sind
der unmittelbare Gewinn im Wechselspiel dieser
regionalen Kunst. Das Werk, das jedem Freund
italienischer Kunst ein unentbehrliches Hilfsmittel
bedeulet, zeichnet sich durch seine ruhige und
sachliche Behandlung des Stoffes und ein siche-
res Urteil in Fragen der Kritik aus. Sympathisch
berührt, daß sich der Autor streng an das gegen-
ständlich Gegebene liält und sich im ästhetischen
Werturteil einer erfreulichen Zurückhaltung be-
fleißigt. In den häufig dornenvollen Fragen der
Chronologie ist er mit sicherem Instinkt den ein-
zig gangbaren Weg eines vorurteilslosen Verglei-
ches mit den datierten Kunstwerken gleicher Rich-
tung und Herkunft geschritten, ohne in frag-
lichen Fällen sich des Eingeständnisses des non
liquet zu enthalten. Es bleibt zu wünschen, daß
das Werk mit den zwei weiteren geplanten Bän-

den, die der Ivunst der Renaissance und des Ba-
rock gewidmet sein sollen, das wertvolle Unter-
nehmen zu einem glücklichen Abschluß bringt.

Bodmer

ALFRED ROHDE: KÖNIGSBERG PR. Stät-
ten der Kultur Bd. 37. 126 Seiten mit 101 Ab-
bildungen. Verlag Klinkhardt & Biermann, Ber-
lin und Leipzig, 1929.

Die kunstgescbichtliche Literatur iiber den deut-
schen Osten, vor allem den ehemaligen Deutsch-
ordensstaat, ist so spärlich, die Einzeluntersuchun-
gen auf diesern Gebiete liegen nur so sporadisch
vor, daß der Versuch einer zusammenfassenden
Kunstgeschichte irn kleinen, wie sie der Königs-
berger Museumsdirektor Erwin Rohde in dem
neuesten, mit ausgezeichnetem, meist unpublizier-
tem Abbildungsmaterial ausgestatteten Bande der
Serie »Stätten der Ivultur« für die alte Haupt-
stadt Königsberg gibt, für weiteste Kreise eine
Neuentdeckung bedeutet. Die kulturelle Frucht-
barkeit dieses Gebietes, die Kontinuität der künst-
lerischen Entwicklung vom frühen 1 !\. Jahrlnm-
dert bis zur Gegenwart, die nur im ig. Jahrhun-
dert unterbunden wurde, wird auf Grund ge-
nauester Quellenkenntnis und eingehender Vor-
untersuchungen aufgezeigt, die Höhepunkte akti-
ver Kunstpolitik während der Ordensherrschaft
und vor allem unter der Regierung des Herzogs
Albrechtl. ergeben das überraschende Bild einer
zwar durchaus bodenständigen, jedoch entwick-
lungsmäßig vollkommen in der Modernität des
europäisch-zeitgcmäßen Schaffens stehendenKunst.
Dies gilt insbesondere vom Königsberger Krmst-
gewerbe und hier wieder für die Edelschmiede-
kunst, deren Bedeutung im 16. und 17. Jahrhun-
dert der Verfasser stark in den Vordergrund rückt
und deren wissenschaftliche Erforschung er durch
den Nachweis einzelner Meister und ihres Oeuvres
vielfach förderl. Die Frage jedoch, ob derartige
Erscheinungen genügen, das vom Verfasser so be-
wußt als Entwicklungsfaktor betonte »Hanseati-
sche« in der Geschichte der Stadt zu belegen, be-
darf wohl noch eingehenderer geistesgeschicht-
licher Untersuchungen. Deusch

FRIEDRIGH CIIRISTIANSEN: SPANIEN IN
BILDERN. 166 Bilder in Kupfertiefdruck.
Verlag Scherl, Berlin. Ganzleinen 12 RM.

Es ist dem Photographen gelungen, auf sehrleben-
dige Weise das Wesentliche dieses Landes festzu-
halten und uns vor Augen zu führen. Bewunderns-
wert das Verständnis, mit dem er zu Werke ging,
die mancherlei und sich oft sehr widersprechen-
den Ausdrucksformen geographischer, kultureller
und volklicher Art zu erfassen und ein gcschlosse-
nes Bild aus tausend Einzelheiten zu formen. Die
Ausstattung des Bandes mit den schönen Tafeln
und den viersprachigen Unterschriften ist vorzüg-
lich. Kl.

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