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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 10
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0322

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zum Teil viel zu optimistische Namen trugen, eine
ziemliche Enttäuschung gebracht und auch die der
Bcslände der E. Canessa-Sammlung nicht eigent-
lich den erhofften Erfolg gebracht hatte, gab es
wenigstens einen großen Tag in dieser recht steri-
len Auklionssaison. Das war der Versteigerungstag
der Gemälde aus dem Nachlaß der Mrs. Havemeyer.
Diese große Kunstfreundin hat zwar den größten
Tcil ihrer Bilderschätze dem Metropolitan Museum
hinterlassen. Es blieben aber noch genug der wich-
tigen und qualitätsreichen Werke übrig, um eine
Auktionssensation zu ermöglichen. Allerdings waren
manchen Bildern Namen gegeben worden, die sie
nicht verdienten, und es wurden auch z. B. für die
Courbets hier nicht die Preise erzielt, die ihrer
Qualität entsprochen hätten. Courbet bleibt eben
hierzulande cin nicht vollgeschätzter Maler. Er ist
für hier wohl zu schwer und ernst, zu »männlich«.
Sensation aber war der Preis von 26 000 Dollarfür
ein allerdings herrliches Mädchenbildnis von J. L.
David, das von dem bekannten Sammler Mr. Che-
ster Dale erworben wurde. Ein paar kleinere Bil-
derverkäufe in den nächsten Wochen werden diese
wenig erfreuliche Saison beenden. F.

DIE MÖBEL DER SAMMLUNG FIGDOR
Die Möbel der berühmten Sammlung werden auf
der Wiener Versteigerung (11. bis i3. Juni) nicht
weniger umstritten sein als die Textilien. Auch sie
führen das Eigentümliche dieser Kollektion vor
Augen, die nicht nur beliebige Beispiele von Mö-
bellvpen und -formen enthäR, sondern auch außer-
ordentliche Stücke, an denen keine Geschichte der
Möbelkunst vorübergehen kann. Ferner gibt die
Verbindung mit der Volkskunst den Möbeln Zu-
sammenhänge, wie sie wohl kaum anderwärts ein-
doutiger zu verfolgen sind.

Der Katalog verzeichnet die Möbel in fünf Abtei-
lungen. Sie lassen deutlich eine Vorliebe für mit-
telalterliche Formen erkennen. Die erste Abtei-
lung enthält die Möbel dor Gotik aus Deutsch-
land, den Alpenländern und Flandern. Das frü-
heste Stück ist eine eisenbeschlagene Truhe aus
Eichenholz (um i3oo), die aus dem Elsaß stam-
men dürfte. Mehr als ein Jahrhundert später ist
ein Sakristeischrank entstanden, der in der Mitte
eine Flügeltür mit eisernen Rankenbändern, an den
Sciten geschnitzte gotische Blaltranken enthält. Das
aus der Nähe von Lindau kommende Stück trägt
das Datum 14 75. Es leitet die Reihe der Schränke
und Truhen aus Süddeutschland und Tirol ein, die
durchweg mit reichcr Schnitzerei versehen sind.
So zeigt eine tiroler Truhe des i5. Jahrhunderts
geschnitztes Maßwerk, ein tiroler Schrank um
i5oo golische Ranken mit Vögeln in Flachschnitt,
eine südtiroler Trulie drei Reihen von profilierten
Kassetten, die von Flachschnittranken umgeben
sind, eine Salzburger Truhe Rosetten, Ranken-
werk und eingeschniltene Verzierungen, Truhen-
hänke Flachschnittverzierungen. Nicht weniger

groß ist die Vielfalt der Formen bei den Tischen,
unter denen sich ein reich intarsierter Tisch aus
dem Rathaus in Amberg (Oberpfalz) befindet. Ein
in der Konstruktion verwandter Tisch ist auf dem
Stiche Dürers mit dem heiligen Ilieronymus im
Gehäus (B. 60) dargestellt. An Zahl überwiegen
die Sitzmöbel, die aus der Antike herrührende
Stuhlformen bevorzugen. Den Scherenstühlen
schließt sich eine lange Reihe von Faltstühlen mit
und ohne Lehnen an. Überaus seltene Stuhlfor-
men sind der Faltlehnstuhl aus Eppau (Tirol,
um i5io) auf seitlich gekreuzten halbkreisförmi-
gen Beinen, die mit gedrehten Querhölzern ver-
bunden sind; der reich geschnitzte Lehnstuhl des
i5. Jahrhunderts aus Aosta, dessen auf drei pfo-
slenartigen Stützen aufgebaute Form der Spät-
antike entlehnt und im Mittelalter auf romani-
schen und gotischen Miniaturen zu finden ist; der
norwegische Kirchenstuhl des 16. Jahrhunderts,
der romanische Formen und Schnitzereien über
das Mittelalter liinaus konserviert hat. Von den
flandrischen Möbeln sei wenigstens ein Schrank
mit Faltwerkfüllungen erwähnt. Den Übergang
zur französischen Möbelkunst bildet ein reich ge-
schnitztes Meßpult flandrischer oder französischer
Provenienz. Weiter sind bemerkenswert ein Kon-
vexspiegel (Ende i5. Jahrhundert) mit bemaltem
Holzrahmen und baldachinartiger Bekrönung,
einige Ausziehtische des 16. Jahrhunderts, eine
Wiege mit Untergestell, einige reicli geschnilzte
und reich intarsierte Schränke. Wieder aber len-
ken die Sitzmöbcl die Aufmerksamkeit auf sich.
Wir nennen nur den Thronstuhl (i5. Jahrhun-
dert) mit hoher Lehne, auf dessen Mittelfeld die
Darstellung eines Gartens mit einem Weinstock,
auf dem Vögel an Beeren picken, geschnitzt ist
und einen zweiten (Mitte des 16. Jahrhunderts)
mit reicher Intarsiaverzierung. Von ungewöhnli-
cher Qualität ist auch die Kollektion der italieni-
schen Möbel. Wohl das berühmteste Stück ist der
sogenannte Strozzi-Schemel, der mit Streifen geo-
metrischer Intarsia und Medaillons mit demWap-
pen der Strozzi in Reliefschnitzerei geschmückt
ist. Alter Tradition nach soll der Sessel von Bene-
detto da Majano entworfen sein. Seine Form geht
auf den alten Typus des Dreibeinschemels zurück.
Seltene Stuhlformen geben auch die beiden aus
Oberitalien stannnenden Faltlehnstühle, die haupt-
sächlich durch geometrische Ornamente in Flach-
schnitzerei verziert sind. Nicht weniger bedeutend
ist eine Flügeltür, die mit Intarsia in verschieden-
farbigen IJölzcrn reich dekoriert ist, aus dem Pa-
laste des Herzogs Federigo da Montefelte zu Gub-
bio. Eine Sonderstellung nchmen in der italie-
nischen Möbelkunst die Truhcn ein, die dem
Schmuckbedürfnis besondcre Möglichkeiten boten.
Besonders schöne Beispiele sind die florentinische
Reisetruhe mit dem Wappen der Medici in Male-
rei, die oberitalienische Trulie mit der Darstellung
der Verkiindigung in Flachschnitt, die Tisclitruhe
 
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