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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 11
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Rosenthal, Erwin: Wandlungen in der italienischen Malerei um 1500: Eigenentwicklung und deutsches Element
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0336

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bildlich zur Bewältigung des eigenen Wollens scliien. Ähnlich die Situation, als sicli der Süden um i5oo
aus sich heraus stark irrational zu konstituieren beginnt. So lange man einen deutschen Holzschnitt oder
Kupferstich fiir den maclitvollen Kompositionsstrom einer spaten Freske Raffaels vcrantwortlich macht,
scheint mir ein schwerer historischer Trugschluß vorzuliegen. Ist man aber der gewaltigen Entwicklung
der italienischen Kunst bis etwa i520 gefolgt -— und Raffael nimmt in zwei Dezennien mit dem tragisch
unhegreiflichen Ansturm des Genies die Entwicklung vieler Jahrzehnte an sicli selbst voraus — so ver-
mag man den Einfluß nordischer Bilder auf ihr wahres Maß zurückzuführen. Die Gründe £ür das Neu-
auftauchen der stärkeren Spannungen, der großen Zusammenfassungen, des dynamischen Überschwangs
klar auszubrciten, bleibt einer umfänglichen geistesgeschichtlichen Untersuchung der italienischen Kunst
vorbehalten.

Die hier niedergelegten Beobachtungen bezogen sich in erster Linie auf die grundsätzliche Umstellung,
welchc die italienische Malcrei zu Bcginn des 16. Jahrhunderts erlebt. Es sollte nicht mehr vcrsucht
werden als die wesentlichen Momente dieser Wandlung um das Jahr i5oo in einem gewissen Gegensatz
zu den Untersuchungen Hetzers zu deuten. Fernab von den hier skizzierten Sätzen bleibt die Weiter-
verfolgung der Problematik in den eigentlicheri Jahrzehnten des Manierismus und des Barockzeitalters.
Es sollte nur versucht werden eine, wie mir schien, notwendige Korrektur an der Darstellung der frü-
hesten Entwicklung des 16. Jahrhunderts vorzunehmen, welche naturgemäß ihre prinzipielle Bedeu-
tung für eine Darslellung des weiteren Ablaufs der italienischen Kunsl im 16. Jahrhundert besitzt.
Hetzers Buch liegt auf der Linie der wissenschaftlichen Erscheinungen, welche in den italienischen
Kunstäußerungen mit einer bislang nicht vermerkten Ausführlichkeit deutsche Einmischungen nacli-
weisen. Wir sind hierdurch zweifellos hellhörig geworden und vermögen manchen Klängen nunmehr
eine andere und die richtige Deutung zu verleihen. Es bleibt aber dringend zu warnen vor der Über-
schätzung der Resultate. In dem Rausch ihres Findergliicks sehen die Autoren in erster Linie die Ein-
fliisse und streifen damit t.rolz der Neuheit des Ausgangspunktes eine Kunstbetrachtung von vorgestern,
deren Wiederaufleben wir eine möglichst kurze Dauer wünsc.hen wollen. Denn kurz gesagt: Dies ist ge-
radewegs die Marschrichtung, in welcher sich die Kunstgeschichte von der Kunst entfernt. Es ist wieder
einmal so, daß die Geister wichtiger werden als der Geist. Demgemäß auch die wissenschaftliche Lei-
stung kaum mehr die Spuren eines in sich gefestigten, von den Dingen der Kunst lebenden Geistes trägt,
sondern das Geistreiche, die schimmernde Konstruktion, der verführerische Einfall in den Vordergrund
drängt.

Abb. 10. Dürer Johannes. 1498

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